Das Display bei einem M2 MacBook Pro tauschen? – ein ziemlicher Alptraum
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Das Display bei einem M2 MacBook Pro tauschen? – ein ziemlicher Alptraum

Ständig geht irgendwas kaputt, aber alle gehen unterschiedlich damit um. iFixit will Menschen dazu ermutigen, ihre Dinge zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen. Dabei ist völlig egal, ob du deine kaputten Sachen selbst reparierst, sie in einer unabhängigen Werkstatt abgibst oder dich an den Originalhersteller (OEM) wendest. Wichtig ist nur, dass alle diese Optionen auch tatsächlich zur Verfügung stehen, einschließlich des Selbermachens. Daher ist es so extrem frustrierend, wenn man auf eine Reparatursperre stößt, die absichtlich vom Originalhersteller eingebaut wurde, um DIY- und unabhängige Reparaturen zu erschweren oder gar zu verhindern.

Immer häufiger geschieht das durch Softwaresperren wie beispielsweise die Teilekopplung. Falls dir das kein Begriff ist: Die Kopplung von Teilen ist eine besonders perfide Taktik zur Verhinderung von Reparaturen, insbesondere wenn sie in kritischen Infrastrukturen wie der Landwirtschaft und der Medizin eingesetzt wird.

Wir sind Hinweisen aus unserer Community nachgegangen und haben tatsächlich ein mögliches Problem mit der Teilekopplung beim Austausch von Displays bei den 14″ MacBook Pro M1 und M2 Geräten identifizieren können. Bei allen Modellen wird durch die Teilekopplung True Tone gestört. Besonders besorgniserregend sind jedoch die Bildfehler (sogenannte Artefakte), die jedes Mal auftreten, wenn das Display bei den 14  Zoll Modellen ersetzt wird.

Der Display-Tausch beim 14″ MacBook Pro M1 und M2 führt zu diesen unschönen Bildstörungen am oberen Rand des Displays.

Es ist schon recht merkwürdig, dass das überhaupt passiert, zumal die 16 Zoll  Modelle anscheinend Displays von Drittanbietern ohne jegliche Bildfehler akzeptieren. Darüber hinaus berichten unsere Community-Mitglieder, dass OEM-Displays, die über Apples Self Service Repair-Programm gekauft wurden, die gleichen Probleme aufweisen, und zwar so lange, bis der Systemkonfigurator eingesetzt wird. Die Tatsache, dass die OEM-Displays von Apple die gleichen Symptome aufweisen, lässt vermuten, dass es sich um ein Softwareproblem handelt.

Die echte Lösung hält Apple also im eigenen Systemkonfigurator unter Verschluss, aber Berichten zufolge haben unabhängige Reparaturwerkstätten dadurch behelfen können, dass sie die ICs auf den TCON-Platinen vom Display eines Drittanbieters auf das neue Display übertragen, da sich die Kalibrierungsdaten und Seriennummern auf diesen ICs befinden.

Natürlich funktioniert diese Reparatur nur, wenn die ICs des Originaldisplays noch intakt sind. Nur dann können die einzelnen ICs durch Anwendung einer kontrollierten Wärmemenge entfernt werden – zu wenig und der Lötzinn schmilzt nicht, zu viel und der IC verbrennt. Die ICs müssen dann wieder zusammengefügt und auf dem anderen Display angebracht werden, indem erneut sorgfältig Wärme angewendet wird. Es versteht sich von selbst, dass diese Art der Reparatur die Kompetenzen eines durchschnittlichen DIY-Bastlers weit überfordert.

Wir haben uns vor drei Wochen an Apple gewandt und um einen Kommentar oder eine Erklärung gebeten. In der Zwischenzeit haben wir die gleiche Frage auch an Hector Martin vom Asahi Linux-Projekt gestellt. Als jemand, der tagein, tagaus die Systeme von Apple analysiert, ist er der Fachmann schlechthin:

Dieses Problem liegt zu 100 % an der Kalibrierung der Matrix-Hintergrundbeleuchtung.

[…] es scheint alles größtenteils automatisch von der [Display Coprocessor (DCP-] Firmware und dem Panel/TCON gesteuert zu werden. Meines Erachtens muss es sowohl eine Art von Werkskalibrierung als auch eine Art von laufendem Fälligkeitssdatenspeicher geben, um eine dauerhaft konsistente Hintergrundbeleuchtung zu gewährleisten.

Natürlich wäre es schön, wenn Apple diese Vorgänge dokumentieren und Werkzeuge zur Verfügung stellen könnte, die es ermöglichen, Teile auszutauschen, aber es ist definitiv nicht so, dass die Reparatur hier absichtlich erschwert wird. Es ist eher so, dass sich niemand bei Apple darum bemüht, Reparaturen zu vereinfachen (weil man ihnen nicht vorschreibt, sich darum zu kümmern bzw. Zeit darauf zu verwenden).

Hector Martin, Asahi Linux Project

Wir haben es hier also mit einer alternativen Möglichkeit zur Teilekopplung zu tun, die sogar weitaus realistischer ist. Es ist den hohen Tieren bei Apple nämlich wahrscheinlich einfach schnurz piep egal. Summa summarum: Was sie herstellen ist ihnen wichtig, sie setzen massiv Arbeitskräfte und Ressourcen ein, um das Benutzererlebnis zu maximieren, und sie sind kompromisslos in ihren Qualitätsansprüchen. Alles, was außerhalb dieses eng begrenzten Bereichs geschieht, ist ihnen schlichtweg egal. Und DIY oder unabhängige Reparaturen sowie die Wartung von Hardware außerhalb des Apple-Ökosystems haben sie einfach nicht auf dem Schirm.

Ich muss zugeben, dass das, was ich auf dem Display sehe, definitiv als Kalibrierungsproblem durchgehen könnte. Es hat nichts von dem sauberen, Apple-typischen Ansatz, mit dem man üblicherweise vor einer deaktivierten Funktion gewarnt wird. Es funktioniert nur einfach irgendwie nicht richtig. Handelt es sich bei der Deaktivierung von True Tone um eine bewusste Kopplung von Teilen? Ja, wahrscheinlich. Ist das bei diesem Artefakt-Problem ebenfalls der Fall? Nach dem, was wir erfahren haben, wahrscheinlich eher nicht.

Aber ganz unabhängig davon, ob es sich um ein Kalibrierungsproblem, einen Softwarefehler oder eine Teilekopplung handelt, wir müssen auf jeden Fall sicherstellen, dass das Problem behoben wird, damit die Hersteller nicht anfangen, solche zufälligen Fehler als De-facto-Mechanismus für die Teilekopplung zu nutzen, um eine Reparatur zu verhindern. Es ist ja nicht so, dass Apple der einzige Gerätehersteller ist, der Kalibrierungssoftware einsetzt, auch einige Komponenten von Samsung und Google müssen kalibriert werden. Aber im Gegensatz zu Apple haben Samsung und Google zumindest einen Teil ihrer Kalibrierungssoftware der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Wir haben natürlich Verständnis dafür, dass nicht jeder Herstellungsprozess innerhalb einer engen Toleranz kontrolliert werden kann, und diese Displays scheinen ein Beispiel dafür zu sein, dass zur Erzielung der besten Bildqualität der zusätzliche Schritt der Kalibrierung jedes einzelnen Displays erforderlich ist. Ein großes Lob an Apple, denn das Unternehmen versteht es meisterhaft, jedes Quäntchen Leistung aus seiner Hardware herauszuholen (und das nicht nur bei Displays, Beispiele gibt es jede Menge). Das schließt jedoch eine öffentliche Kalibrierungssoftware nicht aus und ist, ob absichtlich oder nicht, keine akzeptable Rechtfertigung für die Verhinderung von DIY-Reparaturen.

Derzeit kannst du dein 14″ MacBook Pro über das Self Service Repair Programm oder in einer Fachwerkstatt reparieren lassen, aber wenn du selber ran willst, musst du warten, bis Apple den entsprechenden Software-Fix veröffentlicht. Es sei denn, du willst lernen, BGAs zu löten.

Apple kann dieses Problem durch die Veröffentlichung eines Updates oder die Freigabe der Kalibrierungs-Firmware lösen. Alternativ könnten sie zumindest allen Selbermachern die Möglichkeit geben, den Systemkonfigurator über das Self Service Repair-Programm zu nutzen. Wir hoffen, dass Apple sich freiwillig für eine dieser Möglichkeiten entscheiden wird. Angesichts der Tatsache, dass sich die Gesetzgebung zum Recht auf Reparatur momentan rasant verbreitet, haben sie vielleicht bald keine Wahl mehr.

Dieser Artikel wurde übersetzt von Annika Faelker.