Ökodesign für Smartphones jetzt in Kraft: Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück
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Ökodesign für Smartphones jetzt in Kraft: Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück

Ab heute gelten die neuen Ökodesign-Anforderungen der EU für Smartphones und Tablets. Und sie sind… sagen wir mal: besser als nichts. Die Regeln bringen einige echte Verbesserungen – werden aber durch Kompromisse und Schlupflöcher unnötig abgeschwächt.

Fangen wir mit dem Positiven an: Sieben Jahre Ersatzteilverfügbarkeit, fünf Jahre Software-Updates und ein neuer Reparierbarkeits-Score auf dem EU-Energielabel. Das sind Schritte in die richtige Richtung. Sie helfen dabei, die Lebensdauer unserer Smartphones zu verlängern und Reparaturwerkstätten besseren Zugang zu Ersatzteilen zu verschaffen.

Aber schon der ursprüngliche Verordnungstext war keine Sternstunde für Selbstreparatur. Und dann – wenige Wochen vor Inkrafttreten – legte die Kommission noch einen „Korrekturakt“ nach. Der hat ausgerechnet die Pflicht gestrichen, dass Displays einfach und ohne Spezialwerkzeuge austauschbar sein müssen. Das Display! Das Teil, das bei Smartphones mit Abstand am häufigsten kaputtgeht. Ersatz kaufen? Ja. Selbst einbauen? Nö. Völlig absurd – oder kann mir das jemand logisch erklären?

Wie das Smartphone-Ökodesign in letzter Minute verwässert wurde

Im April, also wenige Wochen vor dem Start, veröffentlichte die EU-Kommission eine Nachbesserung, angeblich um den Text zu „präzisieren“. Dabei wurde klammheimlich eine Formulierung geändert, die Displays aus der Liste der von Laien austauschbaren Teile streicht. Der Verband Right to Repair Europe nennt das völlig zu Recht „widersprüchlich“. Denn einige Hersteller bieten längst Smartphones an, bei denen Displaywechsel kinderleicht sind.

Trotz massiver Kritik wurde der Korrekturakt durchgewunken – nur wenige Tage vor Inkrafttreten. Was bleibt, ist ein Gesetz, das zwar Ersatzdisplays vorschreibt, den Herstellern aber erlaubt, diese zu verkleben und den Einbau für Privatpersonen oder Repair-Cafés faktisch unmöglich zu machen.

Was sich heute ändert (und was noch fehlt)

Was gilt nun konkret ab heute? Hier sind die zentralen Neuerungen im Überblick:

  • Längere Software-Unterstützung. Hersteller müssen Sicherheitsupdates innerhalb von vier Monaten nach Veröffentlichung bereitstellen, funktionale Updates innerhalb von sechs Monaten. Diese Updates sind für mindestens fünf Jahre vorgeschrieben. Das entspricht unserem Appell, Smartphones möglichst lange zu nutzen – idealerweise fünf Jahre oder länger.
  • Schnellere und bessere Ersatzteilversorgung. Ersatzteile wie Akkus, Kameras, Lautsprecher, Ladebuchsen und zehn weitere sogenannte „kritische Komponenten“ müssen professionellen Reparaturdiensten innerhalb von fünf Tagen geliefert werden – und das während der ersten fünf Jahre der Gerätelebensdauer. Danach verlängert sich die Frist auf zehn Tage für weitere zwei Jahre. Für Privatpersonen bleibt die Auswahl deutlich eingeschränkt: Sie bekommen nur Rückabdeckungen, Akkus, SIM-Schächte und Ladegeräte – und müssen auf deren Lieferung ebenfalls zehn Tage warten. Alle Ersatzteile müssen insgesamt mindestens sieben Jahre verfügbar sein.
  • Keine verbindliche Regelung zu Ersatzteilpreisen. Zwar behandelt die separate Right-to-Repair-Richtlinie grundsätzlich die Preisgestaltung von Ersatzteilen, doch was ein „angemessener Preis“ bedeutet, bleibt weiterhin offen.
  • Neues Reparierbarkeits- und Haltbarkeitslabel. Auf dem EU-Energielabel informiert künftig ein neuer Reparierbarkeits-Score darüber, wie stoßfest und reparaturfreundlich ein Gerät ist. Außerdem sind Angaben zur IP-Schutzklasse und zur Akkulebensdauer enthalten. Grundsätzlich begrüßen wir mehr Transparenz am Verkaufsort – aber dieser neue EU-Score blendet entscheidende Faktoren aus. Vor allem die Ersatzteilpreise fehlen komplett, obwohl diese für viele entscheidend sind, wenn es darum geht, ob sich eine Reparatur lohnt. Der bisherige französische Reparatur-Index berücksichtigte diese Information. Zudem verschleiert die neue 5-Punkte-Skala Unterschiede, die für Verbraucher:innen durchaus relevant wären.
  • Selbstreparatur? Weiterhin schwierig. Anforderungen an Wasserdichtigkeit und Haltbarkeit werden von Herstellern häufig als Begründung genutzt, um den Zugang zu Reparaturmöglichkeiten für Privatpersonen einzuschränken. Zudem bleibt die Auswahl an verfügbaren Ersatzteilen für sie gegenüber dem Angebot für professionelle Werkstätten stark begrenzt – und das alles noch vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Änderungen durch die „Nachbesserung“.
  • Teilekopplung– weiterhin Grauzone. Die Verordnung spricht zwar das Thema der Teilekopplung an, verbietet sie jedoch nicht ausdrücklich. Stattdessen verpflichtet sie Hersteller lediglich dazu, professionellen Reparaturdiensten Zugang zu notwendigen Software-Tools zu gewähren. Für alle, die ihre Geräte selbst reparieren wollen, bleibt das ein zentrales Hindernis.

Wie es jetzt weitergeht

Unterm Strich sind diese Regeln ein Fortschritt – allerdings einer mit vielen Fußnoten. Sie verbessern die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, verlängern die Software-Unterstützung und helfen, die Lebensdauer von Smartphones zu erhöhen. Gleichzeitig halten sie aber bestehende Hürden für Selbstreparaturen aufrecht. Problematische Praktiken wie Teilekopplung oder der erschwerte Zugang zu Reparaturinformationen und -werkzeugen bleiben weitgehend unberührt.

Die Smartphone-Industrie hat es geschafft, politische Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass austauschbare Displays technisch unzumutbar seien – und dass wasserdichte Telefone mit wechselbaren Akkus angeblich unmöglich sind. Dabei beweisen Mitglieder der iFixit-Community täglich das Gegenteil: Menschen auf der ganzen Welt reparieren ihre eigenen Displays, oft zum ersten Mal. Und Geräte mit einfach wechselbaren Akkus und besserer Wasserdichtigkeit als viele aktuelle Flaggschiffe gibt es seit Jahren – etwa das Doogee S90 als eines von vielen Beispielen.

Was jetzt passiert, ist entscheidend. Diese Regeln – gemeinsam mit anderen Gesetzen zum Recht auf Reparatur in den USA und der EU – werden maßgeblich beeinflussen, wie Smartphones künftig gebaut werden. Sie setzen Standards, die weit über Europa hinausreichen. Manche Hersteller reagieren bereits: Apple kündigte bereits 2022 an, iPhone-Ersatzteile für sieben Jahre verfügbar zu machen – vermutlich nicht ganz zufällig. Gleichzeitig zeigt Apples Self-Repair-Programm, wie wenig echtes Recht auf Reparatur tatsächlich drinsteckt. Wenn wir jetzt nicht weiter Druck machen und auf eine konsequente Umsetzung bestehen, laufen wir Gefahr, dass daraus ein Pseudo-Recht auf Reparatur wird. Ein Recht, das gut klingt, aber letztlich dafür sorgt, dass die Kontrolle über Reparaturen bei den Herstellern bleibt.

Deshalb bleibt der Einsatz für echte Reparaturrechte wichtig. Wir kämpfen weiter für stärkere Vorgaben, die nicht bei einzelnen Produktkategorien Halt machen. Darum sind wir stolzes Mitglied von Right to Repair Europe. Wenn du diesen Kampf unterstützen möchtest, kannst du hier direkt spenden.