Teardowns

Teardown-Techniken: Wie man technische Röntgenbilder interpretiert

Wahrscheinlich ist es dir schon aufgefallen: In letzter Zeit hatten wir ganz schön viele Röntgenaufnahmen von elektronischen Geräten auf unserer Website. Ob als Wallpaper, Röntgen-Teardowns oder einem kurzen Tweet – seit Jahren schon liefert Creative Electron uns (und dir!) hochwertige Aufnahmen aus dem Inneren der neuesten Gadgets. Aber obwohl wir die Bilder jedes Mal genau untersuchen, schaffen wir es in unseren Teardowns nicht immer, wirklich alle Details der Aufnahmen zu erklären. In diesem Beitrag durchleuchten wir daher die Kunst der Interpretation technischer Röntgenbilder – damit du das nächste Mal auch die letzte Schattierung selbst identifizieren kannst.

X-ray machines and monitors at Creative Electron.
Röntgenaufnahmen entstehen in Geräten wie diesem Tischmodell von Creative Electron.

Röntgenstrahlen gehören zu den elektromagnetischen Strahlen außerhalb des sichtbaren Spektrums und können Gegenstände durchdringen. Dadurch können wir – wenn wir Röntgenstrahlen auf Geräte richten – Bilder von deren Innenleben aufnehmen. Wie bei jeder anderen Form der Fotografie fallen Strahlen auf einen Sensor und lassen ein Bild entstehen. Je dichter das Material, desto weniger Röntgenstrahlen können es durchdringen und desto dunkler ist der entsprechende Bereich auf dem Röntgenbild. Das ermöglicht es Ärzt:innen, Knochenbrüche zu erkennen – und uns, Schwachstellen in elektronischen Geräten aufzudecken.

Bill Cardoso, Geschäftsführer von Creative Electron, sagt dazu: „Ich staune immer wieder, wo Röntgenstrahlung überall Anwendung findet. Wenn wir heute das Rotorblatt eines Hubschraubers auf Risse prüfen, kann es sein, dass wir morgen einen Golfball auf Schäden untersuchen. Viele Dinge, auf die wir uns im Alltag verlassen, können mithilfe von Röntgenaufnahmen untersucht und verbessert werden – von Saatgut bis iPhones ist alles dabei.“

Während Hersteller die Technik nutzen, um schadhafte Stellen zu identifizieren, wollen wir damit schon mal einen Blick auf die Komponenten erhaschen, bevor wir mit dem Teardown beginnen, und Stellen aufspüren, an denen wir mit Hitze und Hebeln ins Innere vordringen können. Alles, was wir dafür tun müssen, ist auf die Dichte zu achten und Ausschau nach bekannten Formen und Umrissen zu halten.

Die Dichte allein kann schon viel aussagen, hauptsächlich über die verwendeten Materialien. Für den Rest braucht man Vorwissen, das man von der Untersuchung ähnlicher Geräte mitbringt – oder vom Lesen erhellender Blog Posts…

iPhone 12 Pro in X-ray, showing off the steel enclosure.

Das Bild oben zeigt die Röntgenaufnahme eines iPhone 12 Pro. Im Vergleich zu Standard-iPhone-Modellen hat es eine ziemlich dunkle Umrandung – das ist Stahl! In den Pro-Modellen wird ein stärkeres, dichteres Material verbaut, um den größeren Smartphones mehr Stabilität zu verleihen, und vermutlich auch ein gewisses Gewicht, das sich nach Qualität anfühlt.

X-rays of iPhone 12 and iPhone 12 Pro models, showing off the little magnets around the camera on the Pro.

Wenn du kleinere dunkle Stellen siehst, handelt es sich oft um Magnete. Kleine dunkle Quadrate bei einer Kamera? Wahrscheinlich die optische Bildstabilisation (OIS für „optical image stabilization“). Für ein OIS-System werden Elektromagnete verbaut, die den Bildsensor stabil halten, sodass auch mit unruhigen Händen kein Bild verwackelt. Große dunkle Flecken an der Ober- und Unterkante des Geräts sind oft Ohrhörer und Lautsprecher.

Rechtecke mit abgerundeten Ecken, die ein wenig an Kaugummis erinnern und daher im Englischen auch „chiclets“ genannt werden, sind meistens Magnete, die dazu dienen, bestimmte Kontakte außerhalb des Geräts zu erkennen, zum Beispiel um Zubehör anzuschließen. In Tablets wie dem Surface Pro oder dem iPad sorgen sie dafür, dass Smart Cases mit eingebauter Tastatur richtig verbunden werden. Besonders smart daran ist, dass die Position des Magneten von einem Hall-Sensor erkannt wird, sodass das Display ein- bzw. ausgeschaltet wird, wenn das Smart Case geöffnet bzw. geschlossen wird. In den iPhone-12-Modellen ist ein Ring aus Magneten verbaut, die dabei helfen, es korrekt auf dem kabellosen Ladepad zu positionieren, sodass es effizienter lädt.

X-ray of the logic board of an original Apple Watch
Das Logic Board einer Apple Watch 1. Generation.

Ein Gitter dunkelgrauer Punkte? Vermutlich ein Chip, der durch gitterförmig angeordnete Lotperlen mit der Leiterplatte verbunden wird. Diese Bauweise nennt man auch BGA für „ball grid array“, zu Deutsch Kugelgitteranordnung. Vielleicht hast du schon mal davon gehört – im Zusammenhang mit den Problemen, die dadurch entstehen können, wie der Touch Disease beim iPhone 6 (Plus) oder dem roten Ring bei Spielekonsolen.

Siehst du eine Mischung von hellen und dunklen Flecken? Dann schau mal genauer hin:

X-rays of resistors, capacitors, and LEDs.
Kleine Komponenten von einem Beispiel-Board, zur Verfügung gestellt von Creative Electron.

Kleine, auf der Leiterplatte verbaute Kondensatoren sehen immer noch ein bisschen aus wie Kuchenkastenformen; da sie eine hohe Dichte aufweisen, wie es für nicht-leitende Komponenten typisch ist, sind sie nahezu schwarz. Im Gegensatz dazu weisen Widerstände nur eine sehr geringe Dichte auf und sind manchmal kaum sichtbar – am besten erkennt man sie am Lötzinn, mit dem sie auf der Leiterplatte befestigt sind.

Wenn mehrere größer werdende Ringe um einen Punkt angeordnet sind (konzentrisch), handelt es sich meistens um induktive (d. h. kabellose) Ladespulen. Auch NFC-Antennen sind konzentrische Gebilde, aber induktive Ladespulen sind normalerweise größer und dichter. Manchmal werden beide Komponenten aber auch kombiniert, wie z. B. beim iPhone.

X-rays of iPhones, with the Taptic Engine in particular focus

Und manchmal stößt man dann doch noch auf rätselhafte Umrisse, die man erst identifizieren kann, wenn man das Gerät geöffnet und sein Inneres ans Licht gebracht hat. Das sind die Momente, in denen man dazulernt. Ein gutes Beispiel ist Apples Taptic Engine, ein linearer Oszillator in einer Hülle aus Stahl. Auf dem Röntgenbild ist die Taptic Engine dunkel und sieht ähnlich aus wie ein Lautsprecher, aber am Zickzackmuster der Federn kann man sie erkennen.

In diesem Artikel konnten wir nur die wichtigsten Bestandteile technischer Röntgenaufnahmen beleuchten. Die reichen aber schon aus, um dir eine bessere Orientierung zu verschaffen, wenn du das nächste Mal in die Graustufen eines Röntgen-Teardowns abtauchst. Vielleicht stößt du ja auf etwas, das wir übersehen haben – dann schreib uns das in den Kommentaren! Wenn du noch nicht genug hast, schau dir die Blog Posts von Creative Electron an (auf Englisch) oder folge ihnen auf Twitter. Ansonsten – bis zum nächsten Teardown!

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.