Frag iFixit: Was sind ablösbare Klebestreifen (und warum lieben wir sie)?
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Frag iFixit: Was sind ablösbare Klebestreifen (und warum lieben wir sie)?

Bei jedem iFixit Handy- oder Tablet-Teardown gibt es diesen einen entscheidenden Moment, der den weiteren Verlauf bestimmt. Es ist wie kurz vor der River Card beim Poker, dem dreifachen Axel beim Eiskunstlauf oder dem Klick auf die Instagram-Story eines selbstverliebten Freundes: Werden sich unter dem Akku ablösbare Klebestreifen befinden oder (seufz) etwas anderes?

Geräte mit ablösbaren Klebebändern sind das Nächstbeste nach eine Lösung ganz ohne Klebstoff. Was diese Klebestreifen so besonders macht, ist das, was sie nicht sind: hartnäckiger, schwer zu entfernender Kleber, der dich praktisch zwingt, an einem Lithium-Ionen-Akku herumzustochern (was eine wirklich schlechte Idee ist). Wie schwer oder leicht der Akku zu wechseln ist, spielt eine wichtige Rolle für die Reparierbarkeit eines Smartphones. Für den Akkuwechsel an sich vergeben wir zwar keinen ganzen Punkt, insgesamt kann er die Bewertung aber leicht um einen Punkt verschlechtern oder verbessern. Ein Klebstoff, den ein normaler Mensch ohne Spezialwerkzeug oder Chemikalien entfernen kann, ist daher ein großer Vorteil.

Das alles habe ich in meinen anderthalb Jahren bei iFixit gelernt. Doch ich wollte mehr wissen: Was steckt physikalisch und chemisch hinter diesen ablösbaren Klebestreifen? Warum verwendet nicht jeder Gerätehersteller diese Technologie? Und wie setzt man sie am besten ein – sowohl beim Anbringen als auch beim Ablösen? Schauen wir mal genauer hin.

Wie ablösbare Klebestreifen funktionieren

iFixit hat das Glück, mit den Klebstoff-Experten von Tesa zu haben. befreundet zu sein. Tesa ist ein globaler Anbieter von Klebstoffen für Industrie und Handel mit fast 5.000 Mitarbeitern, von denen sich ein paar tatsächlich bereiterklärt haben, uns in unserer kleinen Stadt zu besuchen. Gemeinsam haben wir ein Video-Tutorial für unsere Pro-Kunden gefilmt, in dem es darum geht , wie man Klebeband anbringt und welches Klebeband man verwendet, und sie haben mit unseren Mitarbeitern über die Details und die Wissenschaft hinter dieser Technologie gesprochen.

Entfernen der Zuglaschen an einem iPhone 8.

Jedes Klebeband hat drei wichtige Eigenschaften: Adhäsion, Kohäsion und Tack. Sie bilden ein Dreieck: Verändert man eine Eigenschaft, wirkt sich das auf die anderen aus. Adhäsion und Kohäsion stehen dabei am stärksten im Widerspruch zueinander und sind entscheidend für die Entwicklung und Auswahl eines Klebstoffs. Ganz einfach ausgedrückt:

  • Adhäsion ist die Anziehungskraft zwischen dem Klebstoff und der Oberfläche, auf der er haften soll. Sie wird durch Druck und kurze Einwirkzeit verbessert. Es ist die Fähigkeit, an etwas haften zu bleiben.
  • Kohäsion ist die innere Stärke eines Klebstoffs, seine Fähigkeit, intakt zu bleiben. Sie sorgt dafür, dass ein Klebstoff nicht schmilzt, seitlich verschoben, angefasst oder anderweitig beschädigt wird. Es ist die Fähigkeit, zusammenzubleiben.
  • Anfangsklebkraft (fachsprachlich auch „Tack“ genannt) ist die Fähigkeit eines Klebstoffs, beim ersten Kontakt sofort zu haften. Dies ist besonders wichtig bei schwierigen Oberflächen wie rauen Materialien. Nach dem Aufbringen unter Druck oder nach einer gewissen Zeit (dann spricht man von Adhäsion) spielt die Anfangsklebkraft normalerweise keine große Rolle mehr. Es ist die Fähigkeit, beim ersten Kontakt zu greifen.

Normalerweise geht es bei Klebeband darum, wie gut es zwei Dinge zusammenhält. Es soll Kräften widerstehen, die versuchen, diese Verbindung zu lösen – meist parallel zur Oberfläche wirkende Kräfte wie Schwerkraft, Hände oder ähnliches. Doch hier kommt die faszinierende Wissenschaft ins Spiel: Ablösbare Klebestreifen bestehen aus Polymeren, die sich neu ausrichten, wenn das Material parallel zur Oberfläche gedehnt wird. Die Klebkraft nimmt drastisch ab, die Verbindung löst sich, und der Stoff (der dank seiner Kohäsion intakt bleibt) kann über Oberflächen gleiten, an denen er normalerweise fest haften würde. Er hinterlässt keine Rückstände, weil er nicht abgerissen oder weggerieben wird, sondern sich einfach höflich von der Bildfläche verabschiedet – wie der perfekte Partygast.

Um es noch einmal zu betonen: Es handelt sich um einen Klebstoff, der seine molekularen Eigenschaften verändert, wenn man daran zieht. Verblüffendes Material.

Abbildung aus Ralph Korpmans Patent von 1976 für Johnson & Johnson, in dem die Dehnungskräfte beschrieben werden.

Ich würde dir gerne mehr über die genaue Wissenschaft erklären, wie das Dehnen die Polymere neu ausrichtet, aber das ist… komplex. In Online-Foren wie Quora gibt es zahlreiche Fragen dazu, wie die bekannten Tesa Powerstrips oder die Command Strips von 3M funktionieren. Die aufschlussreichste Antwort stammt von einem ehemaligen 3M-Mitarbeiter, der es als „Firmengeheimnis“ bezeichnet. Er erwähnt lediglich, dass der Klebstoff „eine extrem hohe Zugfestigkeit, aber eine recht geringe Scherfestigkeit“ besitzt. Es gibt einen passenden xkcd-Comic zu diesem Thema, und sogar eine Erklärung dazu (Achtung: Der Comic enthält einen Fluch, aber viel Wissenschaft).

Eines der ältesten US-Patente für diese Technologie, erteilt an Johnson & Johnson im Jahr 1976, beschreibt die Magie als „eine einzigartige filmbildende Zusammensetzung aus elastomeren und thermoplastischen A-B-A-Blockcopolymeren.“ Und falls du dich jetzt fragst, um welche Art von A-B-A-Blockcopolymeren es sich genau handelt: „Die A-Blöcke werden von Styrol oder Styrol-Homologen und die B-Blöcke von konjugierten Dienen oder niederen Alkenen abgeleitet. Aha, na dann ist ja alles klar, oder? Du kannst auch das Patent von 3M aus dem Jahr 1999 für ein dehnbares Klebeband mit integrierter Zuglasche studieren, um mehr zu erfahren, aber das setzt voraus, dass du die Chemie des Patents von 1976 bereits verstanden hast.

3M erklärt die Funktionsweise ihrer Command Strips – allerdings nur oberflächlich – in einem Blogbeitrag über… Weihnachtsdekoration. Die Wissenschaftlerin Margaret Sheridan, die an der Entwicklung beteiligt war, bietet dort eine laienfreundliche Erklärung:

„Der Klebstoff hat eine Adhäsionskraft, also die Stärke der Verbindung zwischen dem Streifen und dem Untergrund, also der Oberfläche, auf die er geklebt wird. Und er hat Kohäsionskraft, also die innere Stärke des Klebstoffs“, erklärt Margaret. „Wir wollen, dass diese Kohäsionskraft größer ist als die Adhäsionskraft, damit sich der Streifen sauber ablöst, wenn man ihn dehnt.“

Hinweis: Wenn du eine gute, leicht verständliche Erklärung für die Chemie oder Physik dieser ablösbaren Klebestreifen kennst, kommentiere gerne unten!

Die beste Methode zum Entfernen von ablösbaren Klebestreifen

Das MacBook Air ist der einzige moderne Apple Laptop mit ablösbaren Klebestreifen unterm Akku.

In unseren Anleitungen zum Akku-Wechsel bei iPhones und auch in einigen anderen Anleitungen geben wir Tipps zur Handhabung dieser speziellen Klebebänder. Zum Beispiel:

  • Vermeide es, die Streifen zu knicken oder zu verdrehen
  • Gehe langsam vor und übe gleichmäßigen Druck aus, damit die Streifen nicht durchhängen oder sich verheddern
  • Ziehe in einem möglichst flachen Winkel (möglichst unter 60 Grad), ohne dass sich der Streifen irgendwo verhakt.
  • Falls er reißt, greife das Ende und mache weiter
  • Wenn du das Ende nicht zu greifen bekommst, versuche es mit Wärme oder Isopropylalkohol, Schnur und Geduld.

Das Expertenteam von Tesa hat betont, dass gleichmäßiger, konstanter Zug der Schlüssel zur erfolgreichen Entfernung ist. Versuche, den Zug niemals zu unterbrechen, und greife den Klebestreifen gelegentlich näher am Akku neu.

Wenn du schon öfter ein Smartphone geöffnet hast, dann ist dir vielleicht aufgefallen, dass wir dich in einigen unserer Anleitungen anweisen, die Taptic Engine oder andere Teile des iPhones zu entfernen, die vielleicht nicht unbedingt notwendig sind, um an den Akku zu gelangen. Jetzt verstehst du, warum: Wir entfernen Gegenstände, an denen sich der Klebestreifen verhaken könnte oder die dich daran hindern würden, in einem flachen Winkel zu ziehen.

Wenn du die Streifen richtig abziehst, lässt sich der Akku einfach herausnehmen, und es bleiben keine Klebereste auf dem Gehäuse zurück. Nach einer schnellen Reinigung der Oberfläche mit Isopropylalkohol kann man neue Klebestreifen anbringen. Das wirft die Frage auf …

Warum verwendet nicht jeder Gerätehersteller ablösbare Klebestreifen?

Die Fachleute von Tesa, die sowohl ablösbare Klebestreifen als auch herkömmliche Klebstoffe an Gerätehersteller liefern, erklärten uns, dass es bei der Konstruktion für leicht entfernbare Akkus Kompromisse einzugehen gilt.

Das Pixel 4a und die überraschenden Fenster zum Anziehen der Klebestreifen.

Ein Hersteller muss nicht nur ein wenig zusätzlichen Platz für die Streifen selbst einplanen (das klingt nach wenig, aber jeder Mikrometer zählt), sondern auch den Zugang zu den Zuglaschen berücksichtigen. Das kann bedeuten, dass Komponenten so angeordnet werden müssen, dass man mit den Fingern oder einer stumpfen Pinzette an die Laschen herankommt, und dass keine Teile im Zugweg liegen, die den Streifen einklemmen könnten. Manche Hersteller, vor allem jene, die keinen Vorteil in der Reparierbarkeit ihrer Geräte sehen, investieren möglicherweise nicht die Zeit oder den Platz für solche Konstruktionen.

Dennoch ist selbst Google, das früher Akkus fest verklebt hat, seit dem Pixel 3 auf ablösbare Klebestreifen umgestiegen. Beim. Beim Pixel 4a wurde sogar ein kleines Fenster aus dem mittleren Rahmen herausgeschnitten, sodass die Zugaschen auf der anderen Seite liegen und in einem sehr flachen Winkel gezogen werden können.

Warum brauchen Akkus überhaupt Klebeband/Kleber?

Der vielleicht berüchtigtste Akku der Welt, der des Note 7.

Es ist ein Paradox des modernen Smartphone-Designs: Die Geräte werden immer dünner, aber die Akkus im Inneren müssen mit Klebstoff befestigt werden. Sollte der enge Raum innerhalb des Geräts nicht ausreichen, um den Akku an Ort und Stelle zu halten?

Bei den alten Handyakkus aus den 2000er Jahren wäre das möglich gewesen. Diese robusten Akkus mit Hartplastikgehäuse, die man einfach aus der Rückseite des Telefons nehmen konnte, vertrugen einiges an Erschütterungen. Moderne Smartphone-Akkus sind jedoch dünn und haben weiche Folienhüllen. Das ermöglicht eine bessere Raumausnutzung und mehr Akkukapazität auf kleinem Raum. Aber, wie iFixits Kyle Wiens in WIRED zum Galaxy Note 7-Debakel schrieb:

Die Besessenheit der Industrie mit immer schlankeren Geräten erfordert immer dünnere Akkus. Daher setzen Hersteller zunehmend auf Lithium-Polymer-Akkus. Diese Akkus sind äußerst empfindlich und in eine flexible, folienartige Hülle verpackt. Das reduziert die Dicke und macht die Akkus leicht zu verbauen. Aber im Grunde genommen wickelt man damit ein potenziell brandgefährliches Bauteil in Alufolie.

Und das bei einem Gerät, das die Leute nah am Gesicht halten.

Moderne Lithium-Ionen-Akkus mit ihren dünnen Folienhüllen werden fixiert, damit sie nicht durch andere Komponenten eingeklemmt, durchstochen oder anderweitig beschädigt werden. Der flache, festgeklebte Akku kann in manchen Designs sogar zur Verstärkung des Telefons beitragen. Es ist unwahrscheinlich, dass wir in absehbarer Zeit zu Akkus mit Hartschalen zurückkehren, also müssen wir uns vorerst mit Klebstoff arrangieren.

Wie man ablösbare Klebestreifen richtig anbringt

Wir stellen eine Folienschablone zur Verfügung, um den Kleber nach einem Akkutausch korrekt anzubringen, denn falsch platzierte Klebestreifen können die kabellose Ladespule beeinträchtigen. Hier zeigt sich ein echter Nachteil dieser Klebestreifen: Einmal angebracht, lassen sie sich nicht mehr repositionieren.

Unsere Anleitung zum Anbringen elastischer Klebestreifen geht davon aus, dass du einen fabrikneuen Akku beklebst. Wenn du jedoch Klebestreifen direkt am Telefon anbringst, solltest du die Oberfläche gründlich reinigen, vorzugsweise mit Isopropylalkohol. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das vorherige Reinigen der Oberfläche entscheidend dafür ist, ob ein Tesa Powerstrip einen Bilderrahmen sicher an der Wand hält oder ob ich nachts ein lautes Krachen höre.

Unbedingt vermeiden solltest du Luftblasen, Falten und andere Unregelmäßigkeiten. Jede Lücke im Kontakt zwischen Klebstoff und Oberfläche schwächt die Verbindung erheblich und kann zu unerwarteter Ablösung führen. Du willst bestimmt nicht, dass sich dein Akku im Gerät löst. Wirklich nicht.