Das iPad 10 ist praktisch das iPad Air 4 – nur schlechter
Teardowns

Das iPad 10 ist praktisch das iPad Air 4 – nur schlechter

Alle Jahre wieder bringt die Weihnachtszeit Hoffnung in die Hallen der Hersteller elektronischer Geräte – Hoffnung, dass ihre Geräte auserwählt werden, unter unseren Weihnachtsbäumen zu landen. Ist es nur mein Eindruck, oder geben wir jedes Jahr mehr dafür aus, unseren Lieben nah und fern unsere Zuneigung auf materieller Ebene zu zeigen? Und was sagt besser „I mog di“ als Apples „komplett neugestaltetes iPad in vier lebendigen Farben“?

Das iPad ist tatsächlich längst ein Klassiker unter den Apple-Geschenken, und die Geräte der 10. Generation kann man sich in ihrer erfrischenden Nicht-Metallic-Farbgebung (größtenteils jedenfalls) auch recht gut unter dunkelgrünen Tannenzweigen vorstellen. Schade nur, dass es unterm Lack praktisch identisch ist mit dem iPad Air 4 aus dem Jahre 2020. Ganz recht: Bei unserem Teardown hat sich herausgestellt, dass das iPad Air 4, das nicht mehr hergestellt wird, fast dieselben technischen Spezifikationen aufweist wie das iPad 10. Die wesentlichen Unterschiede: Die Frontkamera des iPad 10 hat mit 10 MP eine höhere Auflösung als die des Air 4 mit 7 MP, und die Kamera wurde an einer anderen Stelle eingebaut und unterstützt die Center Stage-Funktion (Folgemodus).

Man könnte sogar sagen, dass das iPad Air 4 in mancherlei Hinsicht besser ist als das iPad 10, angefangen mit dem Apple Pencil der 1. Generation, der schon viel Spott geerntet hat. Der Pencil kam schon 2015 auf den Markt und war damals schon gewöhnungsbedürftig – er ist einfach nicht sehr intuitiv. Das eigentliche Problem ist aber, dass man einen USB-C-zu-Lightning-Adapter braucht, wenn man den Pencil mit dem iPad 10 verbinden will. Es wird also noch mehr Plastikmüll produziert, nur um ein etabliertes Gerät noch weiterhin herstellen zu können. 

Das sieht überhaupt nicht merkwürdig aus.

Das ist noch nicht alles. Das Air 4 funktioniert auch mit dem Apple Pencil der 2. Generation, sowohl mit dem alten Magic Keyboard als auch mit dem neuen Folio Keyboard, hat ein P3-Display mit einem um etwa 25 % größeren Farbspektrum – und kostete bei Markteinführung nicht viel mehr als das iPad 10 (refurbished bzw. als New Old Stock ist es inzwischen deutlich günstiger). Auch ist es in fünf (Metallic-)Farben erhältlich, nicht nur in vier.

Unglaublich? Aber wahr! Schau selbst.

Unser Teardown bestätigt unseren Verdacht. Im direkten Vergleich mit dem Teardown des iPad Air 4 wird klar: Beim iPad 10 handelt es sich keineswegs um ein „komplett neugestaltetes iPad“, sondern um die Neuauflage des iPad Air 4.

Für diejenigen, die sich für Veränderungen auf Platinen-Ebene interessieren, wie zum Beispiel das überarbeitete Bluetooth-Modul, haben wir unsere Chip-Identifikation erstellt.

Alles von den Lautsprechern im Querformat über die Touch ID bis zur Akku-Leistung ist identisch. Im direkten Vergleich der beiden Geräte fällt nur eines auf, das gegen das iPad Air 4 spricht, nämlich das beschichtete Display, das einen Display-Austausch teurer machen könnte. Wenn das Display des iPad 10 bricht, steht also nicht unbedingt eine teure Display-Reparatur an, sodass weniger Geräte in der Wertstoffsammlung landen dürften. Aber weißt du, wie man noch mehr Elektroschrott verhindert? Indem man die Geräte, die es schon gibt, mit etwas mehr Wertschätzung behandelt. Es gibt hunderte, wenn nicht tausende iPad Air 4-Geräte auf den unterschiedlichen Online-Portalen zu kaufen.

Und falls du Bedenken hast, eines ohne Garantie zu erwerben – es gibt auch Online-Händler, die wiederaufbereitete Geräte mit Garantie verkaufen.

In der Diskussion um die Kompatibilität mit dem Apple Pencil der 1. Generation erklärte das Unternehmen, da sei einfach nicht genug Platz im Inneren des Geräts, um sowohl die Querformat-Frontkamera als auch die kabellose Ladefunktion einzubauen, die der Pencil der 2. Generation benötigt. Und da ist was Wahres dran, wie du im direkten Vergleich sehen kannst.

Man kann gut erkennen, wo der kabellose Lademechanismus ans Gehäuse des iPad Air 4 stößt, und dabei ist er nicht sonderlich groß. Ich glaube, was Apples Technik-Team mit nicht genug Platz meint, ist, dass in der Mitte der Oberkante nicht genug Platz für die Frontkamera und den Lademechanismus zusammen ist. Wenn die Kamera dort bleiben soll, ist die einzige Option, den Lademechanismus etwas nach oben oder unten zu bewegen. Nach oben hin kann man ihn nicht verlagern, weil der Pencil dann über den Lautstärke-Buttons liegen würde. Und auch unten ist nicht genug Platz, wenn die Kamera frei bleiben und der Pencil nicht über den Rand des iPads ragen soll. 

Aber was ist eigentlich mit den anderen drei Seiten des iPads, könnte man den Lademechanismus nicht dort unterbringen? Nun ja, das untere Ende ist für die Verbindung von Tastaturen reserviert. Damit bleiben nur die kurzen Seiten: An einer ist der Touch ID-Button im Weg, und an der anderen befindet sich der USB-C-Ladeanschluss, den der Pencil dann verdecken würde.

Mein Kollege Michael meint, die Entwickler:innen wären wahrscheinlich nur zu gerne vom Pencil der 1. Generation weggekommen, konnten das Nachfolgermodell bzw. seinen Lademechanismus aber einfach nicht passend unterbringen. Wer weiß, vielleicht müsste der Pencil mal komplett neu gestaltet werden, sodass der Lademechanismus nicht mehr in der Mitte liegt und er neben einer Querformat-Kamera Platz findet.

Aber auch wenn es zutrifft, dass Apple nur widerwillig auf den Pencil der 1. Gen. zurückgreift, ist es doch etwas merkwürdig, dass zugleich sehr viel Arbeit investiert wurde, um eine komplett neue Tastatur für dieses iPad zu entwickeln. Da kommt dann schon die Frage auf, warum nicht auch ein neuer Pencil kreiert wurde – da hätte man dann auch gleich einen austauschbaren Akku einbauen können.

Alles in allem ist dieses Gerät interessant, verwirrend und enttäuschend zugleich. Wofür genau bezahlen wir beim iPad 10, für das Gerät selbst oder die Marketingkampagne? Denn solange du nicht um jeden Preis eine Querformat-Kamera haben willst, ist das iPad Air 4 eindeutig eine viel bessere Wahl als das iPad 10, Nicht-Metallic-Farben hin oder her.

Oder habe ich etwas übersehen? Dann schreib’s mir in den Kommentaren.

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.