Apple will endlich Drittanbieter-Reparaturen ermöglichen (größtenteils jedenfalls)
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Apple will endlich Drittanbieter-Reparaturen ermöglichen (größtenteils jedenfalls)

Apple hat vor Kurzem bekanntgegeben, dass es in einem wichtigen Punkt nachgibt, was Teilekopplung angeht: Das Unternehmen hat versprochen, die Leistung von Drittanbieter-Ersatzteilen nicht mehr künstlich zu drosseln. In den meisten Fällen jedenfalls.

Bei den iPhones, die in den letzten 8 Jahren herausgekommen sind, konnte man keine gebrauchten Ersatzteile oder solche von Drittanbietern einbauen, ohne dass Funktionen verloren gingen. Bei Akkus konnte man beispielsweise nicht mehr die Infos zum „Batteriezustand“ einsehen. Nach einem „nicht autorisierten“ Display-Tausch verschwand die True Tone Funktionalität, die die Farbtemperatur des Displays an das Umgebungslicht anpasst.

Ein paar der Warnmeldungen, die man nach dem Einbau von Drittanbieter-Akkus oder -Displays zu sehen bekam. Apple hat nun versprochen, dies auf eine einzige Warnmeldung zu reduzieren und eine verständlichere Beschreibung in den Einstellungen anzuzeigen.

Jetzt aber hat Apple versprochen, dass der „Batteriezustand“ und die True Tone-Funktionalität auch nach dem Einbau eines Drittanbieter-Ersatzteils erhalten bleiben sollen – sofern das Ersatzteil die nötigen technischen Voraussetzungen mitbringt. Und was noch besser ist: Wenn du ein Ersatzteil über Apples Self Service Reparatur Website kaufst, musst du nicht mehr die Seriennummer deines Geräts eingeben. Letztlich dürfen Reparaturwerkstätten und Repair Cafés nun originale Apple-Ersatzteile lagern dürfen, ohne den erdrückenden Bedingungen eines IRP-Vertrags zustimmen zu müssen (IRP = Independent Repair Program, Apples Vertragssystem für unabhängige Werkstätten). Die ausgebauten Ersatzteile müssen allerdings immer noch zurückgeschickt werden, um die neuen Teile zu anständigen Preisen zu bekommen.

Diese Ankündigung ist eine gute Nachricht für alle unabhängigen Werkstätten und DIY-Reparateur:innen. Wir hätten uns noch mehr gewünscht – die Möglichkeit, Face ID und Touch ID wiederherzustellen, zum Beispiel – aber es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Apple arbeitet an sich …

Im April wurde schon einmal berichtet, dass Apple eine „Kehrtwende“ in puncto Teilekopplung machen würde, indem es die Kopplung gebrauchter Apple-Ersatzteile ermöglichte. Das ging eindeutig nicht weit genug, fanden wir.

Wir erinnerten daran, wie wichtig Drittanbieter-Teile sind, um eine möglichst lange Lebensdauer elektronischer Geräte sicherzustellen. Die Hersteller selbst machen nicht immer alle Ersatzteile verfügbar, die man braucht. Diejenigen, die verfügbar sind, sind es oft nur für einen begrenzten Zeitraum – und nicht so lange, wie Verbraucher:innen das gern hätten. Diese Lücken werden von Drittanbieter-Teilen geschlossen. Ein bisschen Wettbewerb auf dem Ersatzteil-Markt sorgt außerdem für vernünftige Preise.

Jetzt scheint Apple endlich auf den Zug aufgesprungen zu sein.

Wir freuen uns schon auf den Tag, an dem diese Grafik obsolet ist. Die Daten wurden uns freundlicherweise von Alexandre Isaac von der Repair Academy zur Verfügung gestellt.

… und bereitet sich auf die anstehenden Right to Repair-Gesetze vor

Warum nun also dieser Sinneswandel? Apple ist nicht einfach in Geberlaune – es sind die Gesetze, die kürzlich in den US-Bundesstaaten Oregon und Colorado sowie in der EU verabschiedet wurden, die Apple zu mehr Reparaturfreundlichkeit zwingen.

Die letzten Jahre haben wir mit unseren Verbündeten in den USA und der EU dafür gekämpft, dass Gesetze erlassen werden, die diejenigen Teilekopplungs-Strategien einschränken, die unabhängigen Werkstätten am meisten schaden. Und vor ein paar Monaten konnten wir drei wichtige Siege verzeichnen.

Im Gesetz von Oregon heißt es, dass Hersteller Teilekopplung nicht einsetzen dürfen, um unabhängige Werkstätten oder die Besitzer:innen der Geräte daran zu hindern oder es ihnen zu erschweren, ein eigentlich einwandfrei funktionierendes Ersatzteil einzubauen. Im Gesetz von Colorado taucht diese Passage ebenfalls auf, beinahe wortgleich. Auch die Right to Repair-Richtlinie, die die EU im April verabschiedet hat, enthält einen ähnlichen Passus. Und wenn True Tone nach einer Reparatur nicht mehr funktioniert oder der Batteriezustand nicht mehr angezeigt wird, ist das eine ziemlich eindeutige Einschränkung der Funktionalität. 

Die Gesetze, die in Colorado und Oregon verabschiedet wurden, treten zwar erst 2026 bzw. 2027 in Kraft, aber sie werden rückwirkend auch für Geräte gelten, die ab 2021 hergestellt wurden. Deshalb war schon klar, dass Apple einen Weg finden musste, Reparaturen durch Drittanbieter vollumfänglich zu ermöglichen.

In Apples Mitteilung heißt es, die Änderungen werden „später im Jahr 2024“ vorgenommen. Wir halten die Augen offen. Und weil unsere Erfahrung mit Apple zeigt, dass die Realität nicht immer mit den Versprechen des Unternehmens übereinstimmt, werden wir ganz genau hinsehen.

„Langlebigkeit durch Design“? Dazu gehört auch Reparierbarkeit

Apples Ankündigung steht auf Seite 16 eines 24-seitigen Berichts, den Apple gerade unter dem Namen „Longevity, by Design“ veröffentlicht hat – Langlebigkeit durch Design. In diesem Dokument erklärt Apple seine Maximen, was Reparierbarkeit angeht. So ein Dokument gab es von Apple noch nie, und es ist ein beachtlicher Schritt.

Zugegeben, wir gehen mit Apple immer recht hart ins Gericht, wenn es um ihre Einstellung zu Reparierbarkeit geht. Aber das hat seinen Grund. Der Konzern hat 2,3 Milliarden iPhones in die Welt gesetzt und liefert in jedem Quartal 6 Millionen Macs aus. Die Welt ist voll mit Apple-Geräten, und wenn das Unternehmen die Reparatur dieser Geräte einschränkt, schadet das Kund:innen auf der ganzen Welt. Apple ist der Marktführer und setzt die Standards für die Industrie, und deshalb schauen wir immer besonders genau hin. Aber selbst mit unserem kritischen Blick fanden wir in diesem Bericht mehr zu loben als zu kritisieren. 

Torx vs Torx Security vs Pentalobe
Die ersten beiden sind weltweit verbreitet. Das dritte Bit ist ein proprietäres Design, das Apple erfunden hat, um uns daran zu hindern, unsere eigenen Geräte zu reparieren.

Sie schreiben: “Wir versprechen, alle Produkte mit austauschbaren Akkus zu entwickeln.“ Das lässt aufhorchen! Wir fanden schon das neue iPhone-Design ziemlich gut, das es erlaubt, das Handy von der Vorder- und der Rückseite aus zu öffnen. Kann man den Akku-Tausch dann noch einfacher machen? Na klar, werden alle sagen, denen schon mal einer der empfindlichen Klebestreifen gerissen ist, mit denen iPhone-Akkus verklebt sind.

Der Punkt mit den Akkus ist aber besonders wichtig, was die vielen Apple-Geräte angeht, deren Akkus man aktuell praktisch gar nicht ausbauen kann, ohne das Gerät dabei zu zerstören: AirPods sind der Klassiker, aber auch im Apple Pencil, im Magic Trackpad und im Magic Keyboard sind Akkus verbaut, die man nicht austauschen kann. Und selbst die Produkte, deren Akkus man mit einiger Mühe austauschen kann, sind mit Apples proprietären Pentalob-Schrauben verschlossen.

Wir hoffen, dass wir tatsächlich in allen Apple-Geräten bald die Akkus austauschen können.

“Man muss ihn mit einem Schraubstock festhalten und braucht ein Ultraschall-Schneidegerät, um das Gerät öffnen zu können“ – so sieht „austauschbar“ nicht aus, um das mal klarzustellen.

Apples Text geht so weiter: „Wir versprechen außerdem, weiterhin unsere Kund:innen zu unterstützen, die sich für die Reparatur bei Drittanbietern entscheiden oder für Ersatzteile und Werkzeuge von Drittherstellern, sodass ihre Reparatur den OEM (Original-Hersteller)-Standards entspricht und das Gerät nach der Reparatur so zuverlässig funktioniert wie möglich.“ Wow, das ist aber mal eine Aussage! Und das Versprechen, dass True Tone funktionieren und der Batteriezustand angezeigt werden wird, wenn man Dritthersteller-Teile verwendet, ist schon mal ein wichtiger Schritt, um dieses Ziel zu erreichen. 

Und dann schreiben sie noch: „Wir werden die Funktionalität von Dritthersteller-Ersatzteilen nicht aktiv verhindern, sofern das Ersatzteil nach denselben Spezifikationen hergestellt wurde und solange es die Sicherheit und Privatsphäre der Kund:innen nicht gefährdet, was aktuell nur Bauteile betrifft, die mit Biometrie funktionieren.“ Klingt auch super! Größtenteils, jedenfalls – diese Aussage lässt jede Menge Interpretationsspielraum.

Was bedeutet “nach denselben Spezifikationen hergestellt“? Ist Apple bereit, seine genauen Spezifikationen und Designs verfügbar zu machen? Wahrscheinlich werden sie nicht ihre proprietären Chip-Sets veröffentlichen – und dann würde ihnen diese Aussage genügend Spielraum lassen, um die Funktionalität von Ersatzteilen einzuschränken, die ansonsten funktionieren würden. Wer entscheidet, ob ein Akku kompatibel genug ist?

Außerdem werden wir sofort argwöhnisch, wenn Apple von „Sicherheit und Privatsphäre“ anfängt – das hat Apple schon mehrfach benutzt, um sich Gesetzen zum Recht auf Reparatur zu entziehen. Wir befürchten, dass Apple diese Formulierung auch in Zukunft wieder ins Feld führen wird.

Hausaufgabe für Apple: Face ID

Niemand will, dass Kriminelle ein iPhone stehlen und die Kamera austauschen können und dadurch Zugang zu allen Bankkonten, E-Mails und anderen persönlichen Daten der Vorbesitzerin oder des Vorbesitzers bekommen. Natürlich ist es wichtig, die Aktivierung von Face ID und Touch ID über Software zu beschränken, damit sie nicht missbraucht werden können.

Aber Apple-autorisierte Reparaturwerkstätten können ganz selbstverständlich ein neues Display einbauen und Face ID dabei reaktivieren. Sie müssen also eine Software dafür haben – und dadurch, dass diese Software nur den Apple-autorisierten Werkstätten zur Verfügung steht, beschneidet Apple nach wie vor die Möglichkeiten unabhängiger Werkstätten.

Die Einschränkungen bei der Aktivierung von Face ID schadet unabhängigen Werkstätten und den Menschen, die ihr Handy von ihnen reparieren lassen wollen – aber sie verhindern keine iPhone-Diebstähle. Die meisten Kriminellen, die systematisch iPhones stehlen, kommen problemlos in sie hinein, weil sie durch verschiedene Tricks an die Handy-PIN kommen.

Apple hat ein sehr gutes Team, das sich mit der Sicherheit der Nutzer:innen befasst. Und das haben wir auch: Das SecuRepairs Network, das aus führenden Expert:innen der Cybersicherheit besteht, die sich liebend gern mit Apple darüber austauschen würden, wie man die Face ID-Reaktivierung durch Drittanbieter auf sichere Art und Weise gestalten könnte.

Die Zukunft wird reparierbar

Vor allem zeigt uns dieser Bericht, dass Apple vorhat, sich an die kürzlich verabschiedeten Gesetze zum Recht auf Reparatur zu halten. Als das Unternehmen die Self-Service-Reparatur einführte, tat es das, um die Vorgaben des Gesetzes zu erfüllen, das im vergangenen Januar im US-Bundesstaat New York in Kraft getreten ist. Und jetzt wissen wir, das es sich auch darauf vorbereitet, sich an die weitgehenden Beschränkungen der Teilekopplung, die die Gesetze von Oregon und Colorado vorsehen, zu halten.

Apples Ankündigung kommt fast zeitgleich mit dem Inkrafttreten der Right to Repair-Gesetze in zwei weiteren US-Bundesstaaten: In Kalifornien und Minnesota gelten seit dem 1. Juli 2024 strengere Regeln zum Schutz von Verbraucher:innen. Mit Inkrafttreten dieser Gesetze haben nun 20 % der US-Bevölkerung weitergehende Rechte, was die Reparatur elektronischer Geräte betrifft.

Deshalb erklären wir den 1. Juli zum Tag der unabhängigen Reparatur, um diese Gesetze zu feiern – und wir feiern dabei auch gleich Apples neuen Bericht mit. Also stoß mit uns an: Auf alle Reparaturen, die du bis jetzt nicht durchführen konntest und die bald möglich werden! Hurra!

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.