Teilekopplung verhindert keinen iPhone-Diebstahl
Recht auf Reparatur

Teilekopplung verhindert keinen iPhone-Diebstahl

Wir befinden uns auf einem guten Weg, die größten Hürden für die DIY-Reparatur zu überwinden. In der EU wurden die Hersteller verpflichtet, ihre Ersatzteile, Werkzeuge und Anleitungen auch unabhängigen Werkstätten zugänglich zu machen. In den USA gilt das bereits im Bundesstaat New York, und auch in Kalifornien und Minnesota müssen sich die Hersteller bald darauf einstellen.

Aber die Teilekopplung, über die wir schon oft berichtet haben, ist leider weiterhin ein Thema. Akteure, die ein Verbot von Teilekopplung verhindern möchten, behaupten oft, dass ein solches Verbot zu einer Welle von iPhone-Diebstählen führen würde. Und heute wollen wir mit diesem Mythos aufräumen. 

Was ist das Problem mit Teilekopplung?

Falls du noch nie von Teilekopplung gehört hast, hier ist die Kurzversion: Manche Bauteile werden von Herstellern per Software mit dem Motherboard des Geräts verknüpft, über kleine Chips, die Micro-Controller. Dadurch „weiß“ das Motherboard, welche Bauteile in dem Gerät verbaut sind. An sich kann das ganz praktisch sein, vor allem, wenn man ein wiederaufbereitetes Gerät hat. Beim Steam Deck kann man beispielsweise für jedes Bauteil in einem bestimmten Gerät die Seriennummer und den Hersteller sehen.

Manche Bauteile eines iPhone 15 kann man ohne Funktionsverlust in ein anderes einbauen – und manche nicht.

Das Problem besteht dann, wenn Hersteller diese Informationen dazu nutzen, die Funktionalität bestimmter Bauteile künstlich einzuschränken oder nervige Warnmeldungen zu schalten, um Nutzer:innen von der DIY-Reparatur abzuhalten. Wir haben zum Beispiel beim iPhone 15 getestet, was passiert, wenn man Bauteile von einem neuen Exemplar in ein anderes, ebenfalls neues und baugleiches iPhone 15 einbaut. Die Selfie-Kamera und die dazugehörigen Sensoren funktionierten überhaupt nicht mehr, TrueTone und Auto-Helligkeit auch nicht. Der Austausch des Displays oder des Akkus führte zu ständigen Warnmeldungen, die man teilweise nicht wegklicken konnte. Und das bei zwei brandneuen, legal gekauften iPhones, bei  denen nur Apple-Originalteile verbaut waren.

Für Werkstätten, die Handys wiederaufbereiten oder reparieren, ist die Teilekopplung ein riesiges Problem. „Gesunde“ Bauteile aus kaputten Geräten, wie Displays, Kameras oder auch Tasten, können nicht für die Reparatur anderer Geräte verwendet werden. Verbraucher:innen sind enttäuscht, wenn ihr Gerät nach einer Reparatur nur noch eingeschränkt funktioniert und werden von den hartnäckigen Warnmeldungen zu nicht verifizierbaren Bauteilen abgeschreckt. Das Ergebnis? Verluste für die Werkstätten, eine Menge Smartphones, die im Elektroschrott landen (mitsamt vieler Bauteile, die eigentlich noch völlig in Ordnung sind) und – natürlich – höhere Verkaufszahlen bei Apple.

Wobei das Problem natürlich nicht nur Apple betrifft. Teilekopplung findet sich in allen möglichen Geräten, von Kettensägen bis Traktoren. Aber was Alltagselektronik angeht, ist Apple bei Weitem am schlimmsten.

Apples Recht auf Reparatur hört bei der Teilekopplung auf

Die Teilekopplung ist verantwortlich für Apples zweite große Kehrtwende, was das Recht auf Reparatur betrifft.

Ende letzten Jahres erklärte Apple öffentlich seine Unterstützung für das Recht auf Reparatur in den USA. Diese Erklärung kam, nachdem das Unternehmen schon den kalifornischen Gesetzesentwurf für das Recht auf Reparatur unterstützt hatte, der im Oktober 2023 verabschiedet wurde und im Juli 2024 in Kraft tritt. Davor hatte Apple fast zehn Jahre lang eine sehr teure und aufwendige Lobby-Kampagne gegen das Recht auf Reparatur geführt. 

Aber Anfang Februar entsandte Apple dann einen Vertreter, um sich gegen den Gesetzesvorschlag zum Recht auf Reparatur auszusprechen, der aktuell in Oregon diskutiert wird. Apple sei voll und ganz mit dem Entwurf einverstanden, ließ das Unternehmen ausrichten – bis auf das Verbot von Teilekopplung. Dieses Verbot, das in dem Gesetzesentwurf von Oregon vorgesehen ist, würde es Apple unmöglich machen, TrueTone, Auto-Helligkeit oder die Batteriezustands-Funktionalität nach einer Reparatur durch Dritte einzuschränken. Es würde Apple dazu zwingen, die DIY-Reparatur von Selfie-Kameras auch dann zu ermöglichen, wenn das Ersatzteil nicht von Apple selbst gekauft wurde.

Aber eines würde das Verbot nicht bewirken: Egal, was Apple sagt – es würde nicht dazu führen, dass plötzlich viel mehr iPhones geklaut würden.

Handydiebstahl ist ein ernstzunehmendes und sehr ärgerliches Problem. In einer repräsentativen Umfrage in Deutschland 2021 gaben 15 % der Befragten an, ihnen sei schon mindestens einmal ein Handy geklaut worden. Das ist für die Betroffenen nicht nur teuer, sondern bedeutet auch jede Menge Ärger und Stress. Ganz zu schweigen von den kostbaren Fotos und Videos, die dabei verloren gehen können. (Also immer an ein Backup denken!!)

Aber Teilekopplung verhindert keinen Diebstahl. Das System, mit dem Bauteile ans Motherboard geknüpft werden, ist ein ganz anderes als das, mit dem ein gestohlenes Gerät gesperrt wird. Diebe, die darauf aus sind, dein Handy auszuschlachten, werden von Teilekopplung nicht abgeschreckt. Dazu gleich mehr.

Die Aktivierungssperre ist keine Teilekopplung

Es gibt zwei Systeme, die potentielle Diebe davon abhalten sollen, ein iPhone zu stehlen. Eines wird von Apple verwaltet, das andere von Mobilfunkanbietern.

Die Aktivierungssperre von Apple wird automatisch angeschaltet, wenn du „Wo ist?“ auf deinem iPhone aktivierst. Jedes Mal, wenn ein Apple-Gerät eingeschaltet wird, ruft es Daten ab, um zu prüfen, ob bei dem Gerät die Aktivierungssperre an ist. Wenn das der Fall ist, funktioniert das iPhone erstmal nicht. Und zwar so lange, bis du dich mit Apple ID und Passwort anmeldest und „Wo ist?“ deaktivierst, das Gerät zurücksetzt oder es reaktivierst. Und das ist sehr effektiv: Nachdem Apple die Aktivierungssperre mit iOS 7 eingeführt hatte, wurden prompt weniger iPhone-Diebstähle gemeldet – in London ganze 50 %, in San Francisco 40 % und in New York immerhin 25 % weniger.

Die zweite technische Schutzvorkehrung ist die Blacklist der Mobilfunkanbieter. Diese prüfen ein Gerät anhand der Datenbank der GSM Association für Seriennummern (IMEIs) gestohlener Handys. Wenn die Prüfung eines Mobilfunkanbieters ergibt, dass ein Handy gestohlen wurde, kann es dann nicht mehr in seinem Netz verwendet werden.

Das Verbot von Teilekopplung, das in Oregon vorgeschlagen wurde, würde diese Systeme in keiner Weise beeinträchtigen. Sie würden genauso gut funktionieren wie vorher. Wir finden immer noch, dass Apple es legitimen Wiederaufbereitern von iPhones ermöglichen sollte, die Aktivierungssperre auszuschalten (und John Bumstead, der seit Langem im iFixit Forum aktiv ist und selbst MacBooks wiederaufbereitet, hat in diesem Interview mit Vice ein paar gute Vorschläge gemacht, wie das ablaufen könnte). Aber wie gesagt – ein Verbot von Teilekopplung würde die Aktivierungssperre nicht berühren.

Und wenn ein Gerät trotz Aktivierungssperre und Mobilfunkanbieter-Blacklist gestohlen wird, verhindert die Teilekopplung auch nicht, dass jemand seine Einzelteile benutzt oder verkauft.

A stack of locked MacBooks in John Bumstead's refurbishment shop
Ein Stapel MacBooks in John Bumsteads Werkstatt – alle mit Aktivierungssperre und somit praktisch Elektroschrott.

Teilekopplung macht gebrauchte Bauteile nicht wertlos

Wenn Teilekopplung wirklich verhindern sollte, dass gebrauchte Bauteile aus gestohlenen Handys weiterverkauft werden, müsste das ungefähr so funktionieren: Wenn das gestohlene Bauteil in ein anderes Handy eingesetzt wird, würde eine entsprechende Meldung angezeigt, mit Informationen über das gestohlene Gerät, die man dann an die Behörden weitergeben könnte. Apple hat im Prinzip den Zugriff auf die nötigen Informationen von serialisierten (gekoppelten) Bauteilen, um so ein System umsetzen zu können. Jedes Bauteil könnte also theoretisch anhand einer Aktivierungssperre auf seine Legitimität hin überprüft werden.

Aber so funktioniert es nicht. Auch wenn Handys durch die Aktivierungssperre oder die Mobilfunkanbieter-Blacklist deaktiviert sind, können die Bauteile entnommen und in andere Handys eingebaut werden. Man lebt dann mit eingeschränkter Funktionalität oder Warnmeldungen, genau so, als würde man selbst ein neues Bauteil einbauen. Aber zusätzliche Schutzmaßnahmen gibt es nicht. Nirgendwo erscheint eine Meldung, dass das Bauteil aus einem gestohlenen Handy kommt, und wenn man so ein Bauteil gebraucht kauft, hat man auch keine andere Möglichkeit, das zu erkennen. Die gestohlenen Teile funktionieren genau so wie legitim entnommene Gebrauchtteile oder neue Teile von Drittanbietern.

Dazu kommt, dass jede gut ausgerüstete Werkstatt, in der gestohlene iPhones auseinandergenommen werden, mit ziemlicher Sicherheit ein Gerät hat, mit dem man die Seriennummer, an die einzelne Bauteile gekoppelt sind, neu programmieren kann. Solche Geräte sehen wir nicht als Lösung für das Problem der Teilekopplung an, was DIY-Reparaturen und legitime Wiederaufbereitungs-Werkstätten betrifft, weil sie teuer, hochkomplex und nicht immer zuverlässig sind. Deshalb verlinken wir nicht auf solche Geräte, aber sie sind leicht erhältlich und für organisierte Kriminelle, die sich auf iPhone-Diebstahl spezialisiert haben, vermutlich den Anschaffungspreis wert. 

Handy-Diebstahl ist zu einem Social Engineering Spiel geworden

Allgemein ist die Teilekopplung Handy-Dieben ziemlich egal. Die Teile können sie ohnehin verkaufen. Was ihnen viel wichtiger ist, ist deine Apple ID. Dein Handy ist dann am wertvollsten, wenn es auf Werkseinstellungen zurückgesetzt werden kann, und das ist (dank der Aktivierungssperre) nur mit dem Geräte-Passwort oder Apple ID-Passwort möglich.

Joanna Stern vom Wall Street Journal hat sich vor ein paar Monaten genauer mit iPhone Diebstahl beschäftigt und fand heraus, dass die meisten Kriminellen in diesem Bereich mit Tricks im ganz realen Leben arbeiten, um an das Passwort zu kommen. Aaron Johnson, der aktuell wegen iPhone-Diebstahls in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzt, erklärt, er würde einfach in Clubs und Kneipen gehen und jemandem erzählen, dass er Drogen verkaufen würde. Füg mich einfach zu Snapchat hinzu, sagt er – und beobachtet dann, welches Passwort sein Opfer in sein Handy tippt. Nachdem er es später geklaut hat, setzt er es mit dem Passwort auf Werkseinstellungen zurück, bevor die Aktivierungssperre überhaupt eingeschaltet wird.

Ein Verbot von Teilekopplung wird nicht zu mehr iPhone-Diebstahl führen

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Angst, dass ein Verbot von Teilekopplung zu mehr iPhone-Diebstählen führen würde, basiert auf einem Missverständnis. Es gibt bestimmte Systeme von Apple und den Mobilfunkanbietern, um Handy-Diebstahl zu verhindern, aber diese Systeme haben nichts mit der Teilekopplung zu tun. Diebe werden von der Teilekopplung nicht abgeschreckt, und sie zu verbieten, hätte keine Auswirkungen auf die Aktivierungssperre und die Blacklist der Mobilfunkanbieter.

Was ein Verbot der Teilekopplung stattdessen bewirken würde: Unabhängige Reparatur-Werkstätten und DIY-Reparateur:innen hätten es plötzlich viel, viel leichter, Geräte zu reparieren, ohne dass deren Funktionen eingeschränkt werden.

Ob das Gesetz in Oregon nun verabschiedet wird oder nicht, die Teilekopplung hat ohnehin keine Zukunft: Das EU-Parlament und der EU-Ministerrat haben kürzlich den Text einer Vereinbarung zum Recht auf Reparatur veröffentlicht. Darin heißt es, dass „Software-Techniken“, die „die Nutzung originaler oder gebrauchter Ersatzteile, kompatibler sowie 3D-gedruckter Ersatzteile durch unabhängige Reparaturwerkstätten verhindern“, verboten werden sollen. Wenn das in Kraft tritt, wird Teilekopplung in der EU illegal. (Diebstahl wurde im Zusammenhang dieser Vereinbarung übrigens überhaupt nicht thematisiert.)

Wenn du zufällig in Oregon wohnst, erkläre deinen politischen Vertreter:innen, warum du ein Recht auf Reparatur forderst, das auch ein Verbot von Teilekopplung miteinschließt. Aber auch überall sonst auf der Welt kannst du dich für die Reparatur engagieren! Informiere dich einfach beim Netzwerk in deiner Region

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.