Martine Postma: Die Idee des Repair Cafés
Aktivismus

Martine Postma: Die Idee des Repair Cafés

Dieser Artikel wurde ursprünglich anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des ersten Repair Cafés im Jahr 2019 und des Internationalen Tages der Reparatur geschrieben. Wir sprachen mit Martine Postma, der Aktivistin und ehemaligen Journalistin, die die Repair-Café-Bewegung, wie wir sie heute kennen, ins Leben gerufen hat. Der Artikel wurde aktualisiert, um daraus einen zeitlosen Beitrag über eine zeitlose Bewegung zu machen.

Unser Leben ist vollgepackt mit Dingen. Aber was passiert mit diesen Dingen, wenn sie kaputt und abgenutzt sind oder nicht mehr gebraucht werden? Das ist eine der Fragen, die Martine Postma während ihrer Arbeit als Journalistin umtrieb. Postmas schrieb über Nachhaltigkeit und darüber, wie man Abfall reduzieren und vermeiden kann. Im Jahr 2009 veröffentlichte sie eine Reportage über eine Kunstausstellung der Platform 21 zum Thema Reparatur. Die Praxis des Reparierens inspirierte sie so sehr, dass sie noch im selben Jahr das weltweit erste Repair Café in Amsterdam eröffnete.

„Ich wollte mehr tun, als nur darüber zu schreiben“, sagt Postma. „Immer mehr Menschen fühlen sich in unserer Wegwerfgesellschaft nicht mehr wohl und sind bereit für Veränderungen. [Sie] werfen nicht weg, weil sie es wollen, sondern weil sie nicht wissen, was sie sonst tun sollen.“

Wegbereiter für eine globale Bewegung

Das erste Repair Café von Postma in Amsterdam war ein großer Erfolg. Die Menschen waren dankbar für die Hilfe beim Reparieren von Dingen und wünschten sich, dass diese Art von Zusammenkünften auch an anderen Orten zur Verfügung stehen würde. Deshalb gründete Martine 2011 die Repair Café Foundation, um professionell Gruppen zu unterstützen, die ihre eigenen Repair Cafés gründen.

Menschen reparieren etwas in einem Repair Café
Einen Ort schaffen, an dem man gemeinsam Dinge repariert und voneinander lernt – das ist der Grundgedanke von Repair Cafés. © Martin Waalboer/Repair Café Foundation

Heute gibt es über 2.000 Repair Cafés in mehr als 30 Ländern, die allein im Jahr 2019 zusammen rund 420.000 Kilogramm Abfall vermieden haben. Nach den Berechnungen der Stiftung sind das rund 10 Millionen Kilogramm CO2, die erfolgreich vermieden wurden. Die meisten dieser Gegenstände waren Kaffeemaschinen, aber die Leute bringen alles Mögliche ins Repair Café: Staubsauger, Fahrräder, Lampen, Hosen, Nähmaschinen, Uhren, Mäntel, Bügeleisen und Laptops.

„Viele Geräte, die in Repair Cafés gebracht werden, sind nicht wirklich kaputt“, sagt Martine. „Sie brauchen nur etwas Pflege. Sie müssen gereinigt, geschmiert oder entkalkt werden. Oft sind die Lösungen erstaunlich einfach. Aber den Leuten fehlt das Wissen, wie man die Dinge pflegt, wartet oder repariert, und das ist ein Problem.“

Die Politik ist gefragt

Dieser Mangel an Wissen ist nicht immer die Schuld der Verbraucher. Hersteller stellen häufig keine Reparaturinformationen zur Verfügung, und Ersatzteile sind schwer zu finden. „Außerdem halten moderne Produkte oft ein paar Jahre, aber nicht Jahrzehnte“, sagt Martine. „Und wenn sie kaputt gehen, ist es nicht nur billiger, sondern auch einfacher, sie zu ersetzen, als nach einem Ersatzteil und der richtigen Reparaturanleitung zu suchen.“

Aus diesem Grund hat die Repair Café Foundation den Repair Monitor eingeführt, ein Online-Tool, mit dem ehrenamtliche Repair Café-Mitarbeiter Reparaturdaten zu den Produkten und Marken erfassen können, die ins Café mitgebracht werden. Mit dem Repair Monitor können die Freiwilligen Informationen wie Produktdefekte und den Erfolg bestimmter Reparaturen erfassen. Diese Informationen werden dann an die Stiftung weitergeleitet, um Einblicke in die Haltbarkeit und Reparierbarkeit der Produkte zu erhalten, die wir täglich benutzen. Politische Maßnahmen wie die neuen Ökodesign-Verordnungen in Europa sind ein Schritt in die richtige Richtung, um die Art und Weise, wie diese Produkte hergestellt werden, zu verbessern – aber diese Art von groß angelegten Maßnahmen braucht Zeit.

In der Zwischenzeit möchte Martine Postma die Menschen dazu anregen, ihr Verhältnis zu den Dingen zu überdenken und über den Tellerrand zu schauen. „Ab und zu ist es gut, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten“, sagt sie. Das hat sie selbst vor 10 Jahren getan, als sie das Programm der Plattform 21 zum Thema Reparatur besuchte – und dabei wurde die Reparatur zu ihrer Leidenschaft.

Besucher des Repair Cafés sehen sich einen kaputten Gegenstand an
Ein genauerer Blick auf unsere Gegenstände und ihr mechanisches Innenleben ist der beste Weg, um die Angst vorm Reparieren zu überwinden. © Martin Waalboer/Repair Café Foundation

Für die Zukunft wünscht sich Martine eine reichhaltigere und vielfältigere Reparaturlandschaft: „Man kann überall und jederzeit neue Sachen kaufen. Diese Möglichkeiten sollten wir auch für Reparaturen haben.“ Indem man den Menschen mehr Wahlmöglichkeiten gibt, könnte die Reparatur für jedermann möglich sein: ob man zu Hause selbst Hand anlegt, mit anderen in einem Repair Café arbeitet oder etwas zu einem Fachmann bringt und einen fairen Preis bezahlt. „Es gibt viele Möglichkeiten, die Gesellschaft so umzugestalten, dass die Reparatur als der normale Weg angesehen wird.“

Veränderung beginnt im Kopf

Die Bewegung für ein Recht auf Reparatur hat noch einen weiten Weg vor sich, aber die gute Nachricht ist: Wir können bei uns selbst anfangen, indem wir uns klar machen, dass es oft gar nicht so schwer ist, Dinge zu reparieren, wie wir vielleicht denken. Egal ob es um darum geht, den Akku in einem Smartphone zu wechseln oder darum, einen Knopf anzunähen, wir müssen uns einfach nur trauen! Außerdem verbindet uns das Reparieren nicht nur mit unseren Sachen, sondern auch mit anderen Menschen, sei es online durch die iFixit-Community oder durch die netten Begegnungen im Repair Café.

Martine hofft, dass es eines Tages gar keine Repair Cafés mehr braucht. „Ich würde das nicht bereuen. Im Mittelpunkt steht ja nicht das einzelne Cafe, sondern das Reparieren von kaputten Dingen. Also weniger Müll und ein nachhaltiges Leben. Darauf arbeiten wir hin.‟ Reparatur sollte kein besonderes Ereignis sein, das nur ein- oder zweimal im Monat stattfindet, sondern ein fester Bestandteil des Alltags.