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Man braucht kein Genie zu sein: Apple stellt Ersatzteile und Werkzeug für DIY-Reparaturen zur Verfügung

Ein iPhone-Akku wird zu Hause ausgebaut

Dieses Jahr soll es möglich werden: Man wird in den USA ein iPhone-Display bei Apple kaufen können, Apples Reparaturanleitung (und wenn gewünscht, auch Apples Werkzeug) verwenden, um das kaputte Display zu ersetzen, und auf Apples Diagnosesoftware zurückgreifen, um sicherzustellen, dass es perfekt funktioniert. Und das auch wenn man keine speziell autorisierte Apple-Reparaturwerkstatt besitzt!

Apples Ankündigung ist ein bemerkenswertes Zugeständnis an unsere kollektive Kompetenz. Lange hatte Apple behauptet, es wäre zu gefährlich, die eigenen Geräte selbst zu reparieren – sowohl für uns als auch für unsere Geräte. Durch die aktuellen politischen Diskussionen über Ersatzteilmärkte scheint aber etwas in Bewegung geraten zu sein. Hinzu kamen Medienberichte über das Part Pairing an neuen iPhones, wodurch einzelne Teile wie das Display über eine Mikrocontroller-Einheit mit ihren Geräten so verbunden sind, dass nach einem Austausch nicht mehr alle Funktionen verfügbar sind – eine Welle der Empörung folgte und Apple ruderte zurück. Und nun hat das Unternehmen überraschend die Idee für sich entdeckt, Leute ihre eigenen Geräte reparieren zu lassen.

Bald (wann genau, ist immer noch unklar) kann man in den USA also Ersatzteile und Werkzeug für das iPhone 12 und 13 direkt bei Apple kaufen, unter anderem Display, Akku und Kamera. Im Laufe des Jahres soll das Angebot auf kompliziertere iPhone-Reparaturen und M1 MacBooks ausgeweitet werden. Die Teile und Werkzeuge wird man im „Self Service Repair Online Store“ erhalten, wo auch Wartungsanleitungen und Reparatursoftware verfügbar sein werden.

Der iFixit-Mitbegründer Kyle Wiens spricht mit Taylor Dixon über Apples Self Service-Reparatur-Angebot und was es für iFixit und das Recht auf Reparatur bedeutet.

Das ist eine tolle Nachricht für alle iPhone-Fans, aber bei iFixit freuen wir uns ganz besonders über diese Entwicklung. Seit unserer Entstehung 2003, als iFixit-Mitbegründer Kyle Wiens sein iBook reparieren wollte und es keine Anleitung dafür gab, kämpfen wir für das Recht auf Reparatur. Fast zwanzig Jahre später hat Apple nun zum ersten Mal selbst eine iPhone-Reparaturanleitung veröffentlicht. (2019 hatte Apple ein paar iMac-Anleitungen veröffentlicht, die für Apple-Vertragswerkstätten verfasst worden waren, was zu internen Verwerfungen führte.) Wir hoffen, dass Apples DIY-Anleitungen dieselben Informationen enthalten werden, die auch den autorisierten Reparaturwerkstätten zur Verfügung stehen, aber mit Blick auf die erweiterte Leserschaft angepasst werden.

Fast zwei Jahrzehnte, nachdem Kyle in seiner Studentenzeit seine erste iBook-Anleitung verfasste, erkennt Apple also endlich an, dass viele von uns das technische Know-How haben, um unsere eigenen Geräte zu reparieren.

Bild aus der Diagnosesoftware von Apple
Ein Screenshot von Apples Diagnosesoftware aus dem Jahr 2017, die benötigt wird, um nach Reparaturen Funktionen wie TrueTone oder Touch ID wiederherzustellen.

Diese Entwicklung entkräftet viele der Argumente, die Apple und andere Hersteller gegen das Recht auf Reparatur angeführt hatten. Haftung? Wir sind uns der Risiken bewusst und werden Apple nicht verklagen, wenn wir unsere Geräte beschädigen oder uns mit dem Schraubenzieher verletzen. Garantie? Es ist in den USA zwar gesetzwidrig, eine Garantie wegen einer selbst durchgeführten Reparatur erlöschen zu lassen, aber Sorgen macht man sich trotzdem. Apples Angebot sollte deutlich machen, dass der Garantieanspruch nicht erlischt, wenn man Lust hat, sich selbst an der Reparatur zu versuchen.

Leider folgt der tollen Nachricht ein großes ABER. Apples Angebot ist nicht gerade der große Befreiungsschlag in unserem Kampf für das Recht auf Reparatur, denn für die Self-Service-Reparaturen gelten dieselben Einschränkungen wie für Apples Independent Repair Provider (IRP)-Angebot. Die Software, die Apple zur Verfügung stellt, verlangt, dass sowohl die Herstellernummer des Geräts als auch die des (bei Apple gekauften) Ersatzteils gescannt werden, wie uns zwei IRP-Mitglieder erklärten. Dadurch ist es praktisch unmöglich, gebrauchte Teile oder Ersatzteile von Drittanbietern einzubauen. Apple hüllt sich in Schweigen dazu, ob seine offizielle Software in Zukunft auch verwendet werden kann, um Daten zur Lebensdauer des Akkus zurückzusetzen, TrueTone-Einstellungen wiederherzustellen oder die Warnungen vor „nicht authentischen“ Ersatzteilen auszuschalten – aber nach allem, was man weiß, ist es ziemlich unwahrscheinlich..

Dazu kommt, dass Apple keine Gewinne beiseite legt, um mehr Geräte reparieren zu können. IRP-Mitglieder beklagen, dass sie mit den Preisen anderer Ersatzteilmärkte nicht mithalten können, und auch nicht einmal mit den Reparaturkosten von Apple selbst. Momentan zahlt man bei einem IRP-Mitglied für ein neues iPhone-12-Display 270 US-Dollar, bzw. 235 US-Dollar, wenn das kaputte Display zurückgeschickt wird. Das iPhone zur Reparatur an Apple zu schicken kostet mit 280 US-Dollar nur unwesentlich mehr – finanziell lohnt es sich also kaum, die Reparatur selbst anzugehen oder von einer IRP-Reparaturwerkstatt machen zu lassen. Aber trotz dieser Einschränkungen ist der freie Zugang zu Apples eigenen Reparaturanleitungen – und damit den Empfehlungen des Herstellers, wie seine Geräte bestmöglich repariert werden können – ein unschätzbarer Gewinn.

iPhone 12 Screen Removal

Dass Apple offizielle (wenn auch teure) Ersatzteile für alle zugänglich macht, könnte auch als Rechtfertigung herhalten, den Einbau von Ersatzteilen, die nicht bei Apple selbst gekauft wurden, weiterhin zu blockieren. Da es nun eine „offizielle“ Möglichkeit gibt, Warnmitteilungen zu vermeiden und alle Funktionen wiederherzustellen, wenn man Akku, Kamera oder Display ersetzen muss, dürfte das Unternehmen keinen Grund sehen, Reparaturen mit gebrauchten Ersatzteilen oder solchen von Drittanbietern zu erleichtern.

Durch die Kontrolle des Ersatzteilmarktes kann Apple auch entscheiden, wann Geräte irreparabel werden. Früher hatte Apple zugesagt, IRP-Mitgliedern fünf bis sieben Jahre lang nach Erscheinen eines Geräts die Ersatzteile dafür zu liefern. Sobald der Hersteller die alleinige Kontrolle über den Zugang zu Ersatzteilen hat, kann ihn niemand daran hindern, diesen Zeitraum um ein Jahr – oder auch vier Jahre – zu reduzieren. Das einzige, was ihn daran hindern kann, ist das Recht auf Reparatur: In Frankreich ist bereits gesetzlich geregelt, dass Ersatzteile für Smartphones mindestens fünf Jahre lang zur Verfügung stehen müssen. Eine solche gesetzliche Vorgabe gibt es bislang sonst nirgends, aber wir kämpfen dafür, dass das Recht auf Reparatur auch in anderen Ländern umgesetzt wird.

Apples Ankündigung endet mit den Worten, das Unternehmen entwickle Produkte, „die auf Haltbarkeit, Langlebigkeit und Reparaturfreundlichkeit ausgelegt sind“ – einer der wenigen Momente, in denen der Konzern das Wort „Reparaturfreundlichkeit“ in den Mund nimmt. In seiner Pressemitteilung macht es allerdings deutlich, dass es die Self Service-Reparatur nicht als grundlegende, neue Strategie ansieht, sondern als Zugeständnis an einzelne „technikversierte Personen“. „Für die überwiegende Mehrheit der Kund:innen“ sind offizielle Apple-Reparaturen der „sicherste und zuverlässigste Weg, um eine Reparatur durchzuführen“, schreibt das Unternehmen.

Also werden wir weiter für Gesetze kämpfen, die Apple und andere Hersteller zur Ehrlichkeit zwingen. Aber wir freuen uns sehr, dass Apple etwas zugibt, das wir schon immer wussten: Man muss kein Genie sein, um ein iPhone reparieren zu können.