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Keine Kopfhörerbuchse = Mehr Schäden am Lightning-Anschluss?

Vor etwas mehr als fünf Jahren kamen Gerüchte auf, dass Apple vorhatte beim iPhone 7 die Kopfhörerbuchse (auch 3,5-mm- oder Stereo-Buchse genannt) wegzulassen. Mit dieser heiß diskutierten Veränderung hatte sich einer unserer Teardown-Ingenieure beschäftigt und vor einem sich abzeichnenden Reparaturproblem gewarnt:

Das Weglassen der Kopfhörerbuchse und die Integration ihrer Funktion in den Lightning-Anschluss wird vermehrt zu Beschädigungen der Lightning-Anschlüsse führen.

iFixit, 14. Juli 2016
Kopfhörer-/Lightning Connector-Anschluss des iPhone 6s.
Kopfhörer-/Lightning Connector-Anschluss des iPhone 6s.

Andrew Goldheart war nicht der Einzige, der das so sah. Ein Großteil des Teams der Technischen Redaktion von iFixit stimmte ihm zu. Vor dem iPhone 7 waren der Kopfhörer- und der Lightning-Anschluss in einer einzigen Baugruppe zusammengefasst – war einer der beiden Anschlüsse defekt und musste ersetzt werden, so erforderte dies gleich den Austausch beider Anschlüsse. Zwischen 75 und 87 Prozent der iPhone 5- und 6-Besitzer*innen, die nach Reparaturanleitungen für den Port suchten, wollten aber den Lightning ersetzen, nicht die Kopfhörerbuchse – ein Defekt des Ladeanschlusses war viel wahrscheinlicher. Unsere Vermutung war, dass mit dem Lightning-Anschluss als einzigem Steckplatz für kabelgebundene Kopfhörer:

auch die Ausfallraten des Anschlusses steigen. Denn im Grunde genommen wird dadurch ein Anschluss, der sich bereits in der Vergangenheit als besonders empfindlich erwiesen hat, doppelt so häufig benutzt.

Außerdem konnte man damals, als es noch kein kabelloses Laden gab, das Smartphone überhaupt nicht mehr aufladen, wenn der Lightning-Anschluss kaputt war. Wir sahen nur eine Alternative, die keine Überbeanspruchung des Anschlusses mit sich bringen würde: kabellose Kopfhörer. „Aber Bluetooth ist manchmal immer noch echt nervig (betrachtet man Funktion und Auswirkungen auf den Akku)“, schrieben wir, „und weitere nicht austauschbare Batterien in ein Produkt zu packen, ist noch sogar übler.“

Hatten wir recht? Waren iPhone-Besitzer*innen in den nächsten fünf Jahren gezwungen, ihren Lightning-Anschluss häufiger zu reparieren? Nicht ganz. Nachdem Apple den „Mut“ aufbrachte, die Kopfhörerbuchse abzuschaffen, änderte sich sich vieles an den iPhones, an der Affinität der Menschen zu Bluetooth und am Design der Lightning-Anschlüsse. Einiges davon ist vielversprechend. Aber manches bedeutet Berge von Müll aus winzigen Platinen und nicht wiederaufladbaren Batterien.

Was sich nach dem iPhone 7 geändert hat

Abziehen einer barometrischen Dichtung von einem iPhone 7 Plus
In seinen iPhones ohne 3,5-mm-Buchse hatte Apple nun unter anderem Platz für eine barometrische Entlüftung, die den Innendruck an die Außenbedingungen anpasst und die Genauigkeit des Höhenmessers verbessert.

Natürlich hat Apple die Kopfhörerbuchse beim iPhone 7 und bei allen folgenden iPhones weggelassen. Gründe dafür waren laut Apple, Platz im Inneren des Mobiltelefons zu sparen, die Wasserfestigkeit zu verbessern und die Audioverarbeitung vom Inneren des Telefons nach außen zu verlagern. Zufälligerweise hatte das Unternehmen zur gleichen Zeit kabellose Kopfhörer parat, die sich leicht mit anderen Apple-Geräten verbinden ließen – die AirPods. Diese nicht reparierbaren Wegwerfartikel für rund 100 Euro konnten sich bald zu einem der beliebtesten Apple Produkte überhaupt entwickeln.

Viele Smartphone-Hersteller zogen nach, ließen ihre Kopfhörerbuchsen weg und verkauften ihre eigenen AirPod-Klone. Square, das Unternehmen, das durch sein Kartenlesegerät mit Kopfhörerbuchse als Startup schnell erfolgreich wurde, stieg auf drahtlose Lesegeräte um.

Apple und andere Mobiltelefonhersteller bieten in der Regel Adapter für 3,5 mm auf Singleport an. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass man spätestens beim dritten Mal, wenn man sich erinnert, dass man einen solchen Adapter hat, ihn entweder nicht mehr findet oder feststellen muss, dass er kaputt ist.

Das iPhone 7 markiert einen Wendepunkt für die Kopfhörerbuchse als Beitrag zum Nutzungskomfort. Es war auch der Höhepunkt hinsichtlich des Wunsches oder vielleicht auch der Bereitschaft der Nutzer*innen, diesen Anschluss zu reparieren. Schauen wir uns die Grafiken an.

Wer interessiert sich für Lightning-Anschlüsse?

Als Erstes hier die Seitenaufrufe unserer Anleitungen zum Austausch von Lightning- und Kopfhöreranschlüssen. Wir haben nicht immer sofort eine Anleitung parat, wenn ein Gerät herauskommt oder gar zeitgleich mit jedem iPhone-Zyklus. Daher habe ich die Seitenaufrufe innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung unserer Anleitung zum Thema Lightning-/Kopfhöreranschluss erfasst.

Unique Pageviews von Anleitungen zum Austausch des Lightning-Anschlusses innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung.

Eine ganz schöne Berg-und-Tal-Fahrt! Ab dem iPhone 5s nimmt das Interesse am Austausch des Lade-/Audioanschlusses stetig zu. Nach dem 6s sinkt es deutlich, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass sich das 6s Plus nicht so gut verkauft hat wie seine Vorgänger (einer Schätzung zufolge kam auf vier 6s-Modelle etwa ein Plus). Das günstige iPhone SE hat sich besser verkauft, aber gerade weil es günstig war, waren weniger Menschen bereit, hier noch in Reparaturen zu investieren und haben sich stattdessen lieber gleich für ein Upgrade auf ein neueres Modell entschieden – beim iFixit Team war das naturgemäß anders: Viele von uns haben ihr SE der ersten Generation so lange am Laufen gehalten, wie es die Software zuließ. Ruhe in Frieden, gutes altes Gerät!

Dann kommt Ende 2016 das iPhone 7 ohne Klinkenbuchse auf den Markt und, fast wie der Beweis für unseren Standpunkt, die Seitenaufrufe für den Lightning-Anschluss dieses Mobiltelefons steigen um fast 75 Prozent gegenüber der vergleichbaren Anleitung für das 6S. Auch der Gesamtabsatz der Lightning Connectors erreicht 2017 ein Allzeithoch, fast wie zum Beweis für unseren Standpunkt.

Diejenigen, von denen ich netterweise diese internen Verkaufsdaten erhalten habe, haben mich gebeten, die konkreten Zahlen zu entfernen. Die Daten basieren jedoch auf echten Stückzahlen. Könnte fast nicht besser aussehen, wenn wir uns die Zahlen ausgedacht hätten, oder?

Hat die Geschichte also unsere Unkenrufe bestätigt? Nun, obwohl die Verkäufe kurz nach dem iPhone 7 ihren Höhepunkt erreichen, folgt darauf ein ziemlich steiler Absatzeinbruch. Dieser Rückgang hätte sogar noch stärker ausfallen können, wenn Batterygate nicht so viel Aufmerksamkeit auf iFixit gelenkt (und unsere Verkaufszahlen erhöht) hätte.

Außerdem, wenn wir die Verkäufe von Kopfhöreranschlüssen nach Modell gruppieren, sehen wir, dass die Verkaufsspitze 2017 tatsächlich von Leuten verursacht wurde, die den Lightning-Anschluss älterer Modelle reparierten: iPhone 5, 6 und 6S, die zu diesem Zeitpunkt schon ein oder zwei Jahre alt waren:

Auch hier wurden konkrete Verkaufszahlen weggelassen, aber das Diagramm basiert auf echten Stückzahlen.

Aber hier geht es um mehr als nur um Grafiken. Mit dem iPhone 7 und den späteren Modellen mit OLED-Bildschirmen ist das Ersetzen von Lightning-Anschlüssen einfach schwieriger geworden. Der Austausch des Ports beim iPhone 6s umfasst 39 Schritte. Die meisten davon sind identisch mit denen, die bei jeder iPhone-Reparatur erforderlich sind: Erwärmen des Bildschirms, Aufhebeln, Ablösen von Kabeln, Abtrennen des Akkus und so weiter.

Die letzte von iFixit verfasste, derzeit verfügbare Anleitung für den Lightning-Anschluss ist für das iPhone SE 2020 (im Wesentlichen ein iPhone 8) und umfasst 66 Schritte – das sind 69 % mehr. Du musst das gesamte Logic Board entfernen. Du musst den iOpener ein ein zweites Mal erwärmen, um an das große, eingeklebte Flachkabel im Inneren zu gelangen. Der Schwierigkeitsgrad ist nur „mittel“, aber ein Marathon bleibt ein Marathon, selbst im Schritttempo.

Zumindest im amerikanischen Shop verkaufen wir immer noch die Ersatzteile (hier z.B. ein Lightning Connector für das iPhone 12), haben aber (noch) keine von iFixit erstellten Reparaturanleitungen für die Lightning-Anschlüsse der iPhone X-Serie, des 11, 12 oder 13. Das liegt zum Teil an den rückläufigen Ersatzteilverkäufen, die selbst ein Indikator für das schwindende öffentliche Interesse sind. Und dann ist da auch noch der Release-Plan von Apple, der bedeutet, dass bis zu vier iPhones auf einmal herauskommen. Die Erstellung detaillierter Anleitungen für jedes iPhone, selbst für die gängigsten Reparaturen, kostet Zeit, und wir beschäftigen uns nicht nur mit iPhones, sondern mit vielen anderen Themen, für die Anleitungen erforderlich sind.

Nicht einmal Apple bietet den Austausch des Lightning-Anschlusses als Service zu einem Standardpreis an. Wenn Apple deinen Lightning-Anschluss reparieren kann (oder dir stattdessen den Austausch gegen eine reparierte Baugruppe anbietet), reichen die Preise von 307 € für ein iPhone SE (2020/2. Generation) und 641 € für ein iPhone 13 Pro Max. Natürlich macht es Sinn, den defekten Lightning Connector deines iPhones selbst zu reparieren – unter anderem, um dich wirklich als Besitzer deiner Dinge zu fühlen und deine Privatsphäre zu schützen. Aber es ist ein schwieriges Unterfangen.

Das Fazit

Ist es durch das Weglassen der Kopfhörerbuchse des iPhones vermehrt zu Beschädigungen des Lightning-Anschlusses gekommen? Wahrscheinlich nicht. Zum einen entscheiden sich immer mehr Menschen für kabellose Kopfhörer.

Chart showing Bluetooth headphones rising from 10 to 55 percent, non-Bluetooth headphones dropping from 90 to 45 percent.
Quelle: Quartz/NPD Group

Marktstudien der NPD Group zufolge haben in den drei Jahren vor Einführung des iPhone 7 Bluetooth- und Nicht-Bluetooth-Kopfhörer im Wesentlichen die Plätze bei den Umsatzanteilen getauscht. In den letzten Jahren machen die Apple AirPods und Beats-Kopfhörer fast die Hälfte der immer beliebter werdenden Kategorie „True Wireless“ aus. Kabelgebundene Kopfhörer gibt es zwar noch immer, sie spielen im Hinblick auf beschädigte Lightning-Anschlüsse jedoch eine weit geringere Rolle.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Faktoren. Uns sind andere Mobiltelefonhersteller bekannt, die vorrangig auf die Verstärkung ihrer USB-C-Ports gesetzt haben, um seltener Anschlüsse austauschen zu müssen. Und das Aufkommen des kabellosen Ladens hat Beschädigungen des Lightning-Anschlusses wahrscheinlich noch weiter verringert – was nicht heißt, dass es keine Schäden gibt.

Die Zukunft ist schwer vorhersagbar: Kabelloses Laden hat sich durchgesetzt, Reparieren ist schwieriger geworden und erfordert mehr Schritte, Defekte werden immer seltener in Ordnung gebracht und das Interesse daran schwindet. Ja, es stimmt, es ist nicht so schlimm gekommen wie wir anfänglich befürchtet hatten. Aber die Zukunft ist deshalb nicht viel rosiger geworden – wenn überhaupt, dann eher noch düsterer. Im Grunde haben wir ein theoretisches Problem durch Überbeanspruchung des Lightning-Anschlusses gegen eine Reihe anderer, messbar schlimmerer Probleme eingetauscht.

Wenn du dich immer noch darüber ärgerst, dass du nicht mehr so einfach auf deine Musik zugreifen kannst, ohne dass es gleich zu viel Akku kostet, empfehlen wir dir, den von Apple gewonnenen Bauraum und die bessere Wasserfestigkeit zu nutzen, um dein Handy so lange wie möglich zu behalten. Nimm Apples Versprechen von langlebigeren Mobiltelefonen beim Wort. Repariere nur, was kaputt ist, und fordere dein Recht ein, das Gerät so lange wie möglich zu nutzen.

Disclaimer: Dieser Text stammt im Original von Kevin Purdy und wurde übersetzt von Sabine Henrich-Grosch.