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Apples Self-Service-Reparaturprogramm: Das Ende von iFixit?

Various iPhone repair presses and tools.

Als Apple sein Self-Service-Reparaturprogramm für Verbraucher:innen in den USA ankündigte, erwarteten wir mindestens ein Wunder. Als wir dann monatelang nichts mehr davon hörten, fühlten wir uns an das AirPower erinnert, das kabellose Ladegerät, das Apple angekündigt, aber dann nie auf den Markt gebracht hatte. Als Apple erklärte, dass es im Rahmen des Self-Service-Reparaturprogramms Werkzeuge nicht nur verkaufen, sondern auch verleihen würde, wussten wir: Das müssen wir uns anschauen! Jetzt halten wir zwar noch immer keine Apple-autorisierten Ersatzteile in den Händen, haben aber trotzdem einiges zu sagen. Wenn du einen Einblick in unsere Bewertung/Diskussion des Self-Service-Programms bekommen willst, dann schau dir dieses Video an (auf Englisch; du findest es auch hier auf YouTube) – oder lies einfach die Mitschrift in diesem Blogpost. (Die haben wir zum besseren Verständnis ein bisschen ausführlicher gestaltet.) 

Die große Debatte zum Apple-Self-Service-Programm: Die Mitschrift

Shahram: Im November 2021 hat Apple sein Self-Service-Programm angekündigt, nur um sich dann monatelang in Schweigen zu hüllen. Letzte Woche ging das Programm dann plötzlich live! Jetzt kann man nicht nur zum ersten Mal überhaupt Ersatzteile und Werkzeug von Apple direkt bekommen, sondern sogar genau die Werkzeuge, die Apple selbst für Reparaturen verwendet. Also, Apple, willkommen in der Welt des Do-It-Yourself! Schön, dass ihr es doch noch geschafft habt.

Jetzt ist es so, dass wir Werkzeug lieben, also mussten wir einfach diese Apple-Werkzeuge in die Finger kriegen. Wir haben Apples 1200-Dollar-teures iPhone-Reparatur-Kit bestellt (das man sich für eine Gebühr von 49 Dollar von Apple ausleihen kann), um es auf Herz und Nieren zu prüfen. Es kam in zwei riesigen Hartschalenkoffern an und enthält:

Kann man das auch als Toaster verwenden?
  • Eine heizbare Hülle (“hot pocket“) – davon gibt es für jedes iPhone-Modell eine eigene –, die man hineinschiebt in 
  • Eine heizbare Vorrichtung zur Entfernung des Displays, mit Timer und einem ausgeklügelten Saugheber
  • (da liegt übrigens etwas bei, was aussieht wie das Netzteil eines iMac. Es tut, was es soll, sieht aber unfassbar komisch aus)
  • Ein paar Saugheber, die das iPhone während der Reparatur halten sollen
  • Diese Akkupresse mit einer Walze (mit Sprungfeder!), um sicherzugehen, dass dein neuer Akku auch gut hält 
  • Und eine schicke Displaypresse mit einem eingebauten Timer, um das Handy nach der Reparatur wieder zu versiegeln
  • Außerdem Schraubendreher, Schneidwerkzeuge für den Kleber, und so weiter.

Und die Werkzeugkoffer sind erst der Anfang. Hier gibt es viel zu sehen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne, also fangen wir an!

Ich muss gestehen, ich habe eine ziemlich dezidierte Meinung von dem Programm, aber das könnte daran liegen, dass ich ein bisschen altmodisch bin. Also habe ich Sam gebeten, ihre klarsichtige Weisheit mit mir zu teilen.

Apples Werkzeuge: Nummer Sicher oder gezielte Einschüchterung?

Shahram: Sam, du bist schon eine ganze Weile bei iFixit. Für mich sieht dieses Werkzeug so aus, als sollte es mich einschüchtern. Sechsunddreißig Kilo und eine Kaution von 1200 Dollar – denkt Apple wirklich, dass das alles nötig ist, um das Display eines iPhone auszutauschen?

Sam: Das ist jedenfalls nicht das, was Leute wie du und ich verwenden würden, um so eine Reparatur durchzuführen. Das sind die Werkzeuge, die Apple verwendet, um immer gleichbleibende Ergebnisse zu erhalten. Natürlich kannst du die Reparatur ohne diese ganzen Werkzeuge durchführen, aber sie sind nun mal, was Apple selbst verwendet. Wenn du es also „offiziell richtig“ machen willst, kannst du das damit tun. Der eigentliche Gewinn hier ist, dass Apple auch die Reparaturanleitungen veröffentlicht hat.

Apples Reparaturanleitungen: Enttäuschend oder besser spät als nie?

Shahram: Die Reparaturanleitungen sollen ein Gewinn sein? Vielleicht bin ich einfach zu sehr daran gewöhnt, wie wir Reparaturen in unseren Anleitungen erklären, aber die Apple-Dokumente kommen mir einfach etwas umständlich vor. Insbesondere die Warnhinweise fand ich etwas übertrieben.

Sam: Ich glaube, die richten sich eher danach, was Apples Anwälte denken, was wir für die Reparatur brauchen. Apple hat hier nichts wirklich Neues gemacht. Genau dasselbe sagen sie auch ihren autorisierten Servicepartner:innen und unabhängigen Reparaturwerkstätten. Die Anleitungen sind definitiv nicht auf durchschnittliche Tüftler:innen zugeschnitten, aber wir haben zwanzig Jahre lang die Veröffentlichung dieser Anleitungen gefordert – dass iFixit gegründet wurde, ist hauptsächlich dem Frust über Apples nicht vorhandene Anleitungen zu verdanken. Also ist das jetzt ein riesiger Schritt in die richtige Richtung: Besser spät als nie!

Shahram: Vielleicht ist es besser als nichts, aber so viel ist es auch nicht. Wir haben keinerlei Schaltpläne auf Leiterplattenebene bekommen und es wäre schön, Anleitungen auch zu anderen Geräten zu bekommen und nicht nur zu den neuesten iPhones.

Sam: Ich glaube, diesem riesigen Unternehmen steht einfach gerade im Weg, dass es in diesem Bereich so lange untätig war – und dass es eine sehr nervöse Rechtsabteilung hat. Apple hat bereits versprochen, dass es das Programm im Laufe des Jahres auch auf M1 Mac ausweiten wird. Wir können nur hoffen, dass die Umweltabteilung den Anwält:innen klarmachen kann, dass Reparatur möglich und gut ist. Und wenn das nicht hilft, gibt es immer noch das Recht auf Reparatur!

Apples Ersatzteile unter der Lupe

Shahram: Schauen wir uns mal die Ersatzteile an. Abgesehen davon, dass nur eine begrenzte Auswahl von Teilen für eine sehr begrenzte Auswahl an Geräten verfügbar ist, sind die Ersatzteile einfach unfassbar teuer. Apple verlangt $329 für eine Werkstattreparatur, bei der man nichts selber machen muss, verglichen mit $278,35 für eine DIY-Reparatur – und das auch nur, wenn man ihnen das alte Display zurückschickt und eigenes Werkzeug verwendet. Wenn du dir das Werkzeug von ihnen leihst, zahlst du insgesamt $327,35. Und weißt du noch, wie unsere Freundin Jessa uns gezeigt hat, dass du für die Kopplung des Ersatzteils mit deinem iPhone Bedingungen zustimmen musst, die ganz schön in die Privatsphäre eingreifen? Du musst Apple im Prinzip erlauben, dein Handy zu scannen und zu speichern, was auch immer sie wollen, oder du kannst die Reparatur nicht abschließen. Es ist ein schockierender Eingriff in die Privatsphäre der Nutzer:innen!

Sam: Ich bin froh, dass du das erwähnst, denn das macht einfach keinen Sinn. Und ich habe eine Theorie, warum das so ist. Apple ist total besessen vom Schutz der Privatsphäre, weshalb diese Bedingungen einfach nicht ins Bild passen. Ich denke, dass Folgendes passiert ist: Apples Software beinhaltet sehr viele verschiedene Programme, die alles abdecken von Diagnostik und merkwürdigen Troubleshooting-Tricks bis hin zu den Programmen, die für die Kopplung von Ersatzteilen tatsächlich relevant sind. Apple hat keine Version dieser Software erstellt, die nur die Kopplungsprogramme enthält, weil sie auch sonst keine Version von etwas erstellt haben, das wirklich für die Nutzung durch die Verbraucher:innen selbst gedacht ist. Wenn du einfach nur deinen Akku austauschen willst, wirst du das alles nicht brauchen, aber sie müssen dir trotzdem mitteilen, dass diese ganzen anderen Programme auch in der Software enthalten sind. Apple macht das Richtige, indem es darüber informiert; es wäre natürlich noch viel besser, wenn sie das Kopplungsprogramm vom ganzen Rest trennen würden. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie das in Zukunft noch täten.

Apples Sicht auf DIY-Reparaturen – verglichen mit der von iFixit

A stack of pelican cases full of Apple tools with an iFixit toolkit leaning against it

Shahram: So, ich denke, wir hatten die Möglichkeit, Apples Lösungsansatz von allen Seiten zu betrachten. Es ist nicht das, was Verbraucher:innen eigentlich wollen; sie wollen ein übersichtliches Reparaturkit, das ihren eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen angepasst ist. Handlich, preiswert, leicht erhältlich und ergänzt um brauchbare Informationen.

Sam: Ja, da stimme ich dir voll und ganz zu. Ich glaube wirklich nicht, dass diese Werkzeugkoffer auf die durchschnittlichen Verbraucher:innen wie dich und mich zugeschnitten sind. Das hier ist im Prinzip eine Mini-Fabrik, um ein Handy zu reparieren und so wiederherzustellen, dass es von Apple persönlich abgesegnet werden würde, und zwar überall und bei jeder einzelnen Reparatur. Für manche Leute ist das vielleicht genau das, was sie suchen, aber das größte Verkaufsargument von Apple ist eigentlich die Kopplung des Ersatzteils, das Parts Pairing.

Shahram: Ja, können wir nochmal über das Parts Pairing sprechen? Darüber, wie Apple versucht, den Markt zu kontrollieren, indem es verhindert, dass ein Handy nach einem nicht autorisierten Akkutausch wieder genauso funktioniert wie vorher? Wem gehört dieses Handy eigentlich, hatte ich das nicht eigentlich schon bezahlt? Beim Akkuzustand handelt es sich nicht um biometrische Informationen wie bei Face ID. Ich kann das nur als ein Reparaturmonopol ansehen.

Sam: Da bin ich ganz bei dir. Parts Pairing ist das Letzte, und wenn Apple das nicht abschafft, ist das Recht auf Reparatur die beste Möglichkeit, diese Software zugänglich zu machen. Genau wie bei Autos sollten Diagnose- und Reparatursoftware frei zugänglich sein, und man sollte nicht gezwungen werden, eine bestimmte Reifenmarke zu kaufen. Das ist einfach absurd.

Die Zukunft von Apples Self-Service-Reparaturprogramm

Shahram: Auch bei Apple gibt es gute Leute, und die geben ihr Bestes, aber dieses Werkzeug ist einfach absurd, das ist nicht das, was wir brauchen. Wir brauchen Schaltpläne. Wir brauchen eine Abschaffung des Parts Pairing. Und wir müssen Apples Kontrolle über die Reparatur seiner Geräte entkommen. Apple versucht hier, die Veränderungen auf dem Markt anzuführen, und das ist gut – aber es ist auch klar, dass noch ein weiter Weg vor ihnen liegt.

Sam: Absolut. Und wir werden dafür sorgen, dass es weiter vorangeht.

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.