Markiert das Surface Pro 9 einen Wendepunkt für Reparierbarkeit bei Microsoft?
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Markiert das Surface Pro 9 einen Wendepunkt für Reparierbarkeit bei Microsoft?

In einer Zeit vieler schwer reparierbarer Geräte hat Microsoft ein paar der größten Übeltäter produziert. Erst vor ein paar Jahren erhielt das Surface Pro 7 eine der schlechtesten Bewertungen auf unserem Reparierbarkeits-Index – 1 von 10 Punkten: Der Akku war festgeklebt, so dass es fast unmöglich war, ihn auszutauschen, zudem waren RAM, Prozessor und SSD direkt auf dem Motherboard verlötet. Um ehrlich zu sein, hatten wir die Hoffnung auf reparierbare Microsoft-Geräte so gut wie aufgegeben.

Aber siehe da: Wandel ist möglich. Auf unserem Teardown-Tisch entpuppt sich das Surface Pro 9 als Vertreter einer ganz neuen Entwicklungsstufe bei Microsoft. Und wenn ein Hersteller so groß wie Microsoft sichtbare Schritte in Richtung Reparierbarkeit unternimmt, verdient das Beachtung. An dieser Stelle sei kurz darauf hingewiesen, dass wir Microsofts Hardware-Team hinsichtlich reparaturfreundlichem Design beraten und in diesem Rahmen auch Teardown-Analysen direkt zur Verfügung stellen. Wir freuen uns, dass sie anscheinend ein paar unserer Ratschläge umgesetzt haben; dieser Teardown wurde aber unabhängig von Microsoft durchgeführt – wir haben unser Surface-Gerät selbst gekauft und es auseinandergenommen wie jedes andere Gerät, um herauszufinden, wie reparierbar es ist.

Eine gute Nachricht vorab: Wie wir sehen werden, ist der Akku nicht mehr festgeklebt, sondern verschraubt, was es deutlich einfacher macht, ihn auszutauschen. Microsoft hat iFixit außerdem mitgeteilt, dass das Unternehmen gegen Ende des Jahres beginnen wird, Reparaturanleitungen für seine Geräte auf seiner Website zur Verfügung zu stellen, und ab 2023 Ersatzteile liefern wird.

Hier ist Microsofts Stellungnahme an iFixit in voller Länge:

Wir bei Microsoft erkennen an, wie wichtig es ist, die Reparatur von Geräten zu ermöglichen und haben bei der Entwicklung des Surface Pro 9 diesem Aspekt besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Das schlägt sich in bewusst getroffenen Designentscheidungen nieder, aber auch in der Verfügbarkeit von Reparaturanleitungen und Ersatzteilen.  

– Reparaturfreundliche Merkmale des Produkts bauen auf den austauschbaren Komponenten früherer Modelle auf, wie dem Display, der SSD und dem Kickstand, die aber um eine ganze Reihe austauschbarer Bauteile ergänzt werden, wie den verschraubten Akku, das Motherbooard, das Kühlmodul, den Surface Connect Anschluss und mehr (1)

– Die Wartungsanleitungen für das Surface Pro 9, die vollständige Reparaturanleitungen enthalten, werden vor Ende des Jahres öffentlich als Download zur Verfügung stehen. Siehe Microsoft Wartungsanleitungen: Download Surface Wartungsanleitungen vom offiziellen Microsoft Download Center.

– Wir arbeiten aktuell mit einem wichtigen US-amerikanischen Großhändler zusammen, um unser Netzwerk für autorisierte Reparaturen auszubauen und Reparaturnöglichkeiten näher an unsere Kund:innen zu bringen. Dies wird Anfang des Jahres 2023 zur Verfügung stehen.

– Wir bauen außerdem unsere Angebote aus, um Ersatzteile unabhängigen Reparaturwerkstätten und Verbraucher:innen zugänglich zu machen. Unser Ziel ist, dies in der ersten Hälfte des Jahres 2023 umzusetzen.

(1) Austauschbare Komponenten im Surface Pro 9 sind: Display, Akku, Motherboard, Kühlmodul mit Lüfter, SSD, SSD-Abdeckung, Kickstand, Surface Connect Anschluss, Lautsprecher, WLAN-Deck mit Mikrofonen, Frontkamera, Rückkamera, Start- und Lautstärke-Buttons und die Rückabdeckung. Die Verfügbarkeit kann, abhängig vom jeweiligen Markt, zeitweise schwanken.

Klingt alles prima, wenn es denn Wirklichkeit wird. Also dann! Reparierbarkeit großzuschreiben und dadurch Nutzer:innen die Möglichkeit zu geben, ihre Geräte selbst zu warten und zu reparieren, ist immer eine gute Sache. Wartungsanleitungen und Ersatzteile zur Verfügung zu stellen sind wichtige Voraussetzungen dafür. Als wir mit unserem Teardown loslegen, machen sich diese Designentscheidungen von Anfang an bemerkbar.

Der erste Schritt beim Auseinandernehmen ist erwähnenswert, auch wenn das Surface Pro 9 nicht das erste Modell ist, bei dem das so geht – er ist einfach so nutzer:innenfreundlich: Um an die SSD heranzukommen, muss lediglich eine winzige magnetische Klappe vom Gehäuse abgehoben werden. Eine einzelne Schraube steht zwischen dir und einem Speicher-Upgrade. Das klingt nicht nach einer großen Sache, und vor fünfzehn Jahren wäre es das auch nicht gewesen. Aber in den dünnen Geräten unserer heutigen Zeit haben so praktische Dinge wie leicht austauschbare Speichermodule meistens das Nachsehen, um immer kleinere und dünnere Gadgets herstellen zu können. Wir freuen uns sehr, dass auch beim Surface Pro 9 die SSD leicht zugänglich und austauschbar ist.

Als Nächstes haben wir das Display erwärmt und uns an den Teil des Teardowns gemacht, der bei Surface-Geräten meiner Meinung nach der riskanteste ist. Wie bereits erwähnt, waren frühere Surface-Modelle notorisch schwierig auseinanderzunehmen – wegen des Klebers unter dem fragilen Glas-Display. An dieser Stelle entdeckten wir nun eine zweite reparaturfreundliche Eigenschaft des Surface Pro 9: Die Kanten des gläsernen Displays geben etwas nach, damit Brüche beim Ausbau des Displays vermieden werden.

Es ist immer noch ein nervenaufreibender Vorgang, aber dank dieser flexiblen Kante und eines Klebstoffs, der sich recht gut durchschneiden ließ, ging nichts zu Bruch und das Display ließ sich vergleichsweise gut ablösen. 

Nun, da das Display ausgebaut war, hatten wir Zugang zu allen modularen Komponenten, die recht intuitiv angeordnet sind. Der RAM-Arbeitsspeicher ist, anders als die SSD, auf dem Motherboard verlötet – dabei muss allerdings gesagt werden, dass verlöteter Arbeitsspeicher in kompakten Geräten nichts Ungewöhnliches ist, weil durch die Nähe zum Prozessor deutliche Stromeinsparungen und eine bessere Arbeitsleistung erzielt werden können. Genau wie beim System-on-a-chip bei Apples M-Series können wir verlötetes RAM nicht verurteilen, wenn es eine signifikante Leistungssteigerung bedeutet.

Schließlich kommen wir zum Akku, bei dem wahrscheinlich die größte Veränderung vorgenommen wurde. Vorbei sind die Tage, in denen man jede einzelne Zelle mühsam abhebeln musste und einen Spudger und größere Mengen Isopropyl-Alkohol brauchte, um die irrsinnige Menge an Klebstoff zu lösen, mit der der Akku an Ort und Stelle gehalten wurde. Dieser Akku ist nur mit Schrauben befestigt und dementsprechend kinderleicht auszutauschen.

Zweifellos ist dieses Surface das reparierbarste, das wir in dieser Produktlinie je gesehen haben, und es ist offensichtlich, dass das Unternehmen drastische Änderungen am Design vornehmen musste, um das zu erreichen.

Dismantled Surface Pro 9

Wir geben dem Surface Pro 9 respektable 7 von 10 Punkten auf unserem Reparierbarkeits-Index. Da die Wartungsanleitungen und Ersatzteile noch nicht verfügbar sind, kann das Surface dafür auch noch keine Punkte bekommen. Das wird sich ändern, sobald wir Zugang zu den versprochenen Anleitungen und Ersatzteilen bekommen. Mitte 2023 werden wir uns das Surface Pro 9 nochmal vornehmen – und wenn Microsoft Ersatzteile und Anleitungen bis dahin verfügbar gemacht hat, dürfte sich die Bewertung des Geräts noch verbessern.

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.