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Schaltkreise, Lötzinn und ein bisschen Hexerei: Grundkurs Platinen-Reparatur, Folge 1

Es gibt diese magischen Momente: Während einer kniffligen Reparatur oder einem komplizierten DIY-Projekt verstehst du plötzlich, wie alles zusammenhängt. Du siehst mehr als vorher, erkennst das geniale Zusammenspiel aller beteiligten Komponenten, fühlst Ehrfurcht und Stolz. Und vielleicht wird dir dieses Erlebnis irgendwann sogar mal Geld sparen.

Ich hatte einen dieser seltenen Momente, als ich vergangenen Monat durch ein Mikroskop auf einen Mikrochip starrte, gerade so groß wie eine Salzflocke. Fast 400°C heiße Luft strömte aus dem Heißluftgebläse in meiner Linken und erhitzte den winzigen Chip, der sich plötzlich mit einer einzigen Bewegung auf 64 winzige Lötpunkte setzte, die ich Sekunden zuvor verflüssigt hatte. Ich nahm die Pinzette von der Platine, auf der ich den Chip ersetzt hatte, der den Ladevorgang eines iPhone 6 reguliert. Ein paar Minuten später verband ich die frisch reparierte Platine mit einem Display, einem Akku und einem Ladeanschluss. Und der Akku begann zu laden.

Verwendung eines Tristar-Testers zur Überprüfung der Funktionstüchtigkeit einer Karte
Ein Tristar Tester bestätigt den erfolgreichen Austausch des Ladechips.

Den Tristar Chip auf einer iPhone-Platine auszutauschen, war nicht die schwierigste Aufgabe in dem einwöchigen Mikrolöt- und Platinenreparaturkurs bei Jessa Jones. Aber bei dieser einen Reparatur ging mir plötzlich auf: Das war kein Experte eines internationalen Unternehmens, der diesen Chip gerade erfolgreich ersetzt hatte. Das war ich.

Nicht nur riesige Unternehmen können so etwas reparieren. Sondern auch ich.

Die Platine in einem Smartphone (oder einem Tablet, Laptop oder jedem anderen elektronischen Gerät) ist ein Stromnetz in Miniatur. Wenn der Strom nicht dorthin fließen kann, wo er gebraucht wird, kann man herausfinden, was das Hindernis ist und es beseitigen. Wir können diese Sachen reparieren – sogar ich kann diese Sachen reparieren, jemand, der mehr Zeit am Rechner verbringt als mit Schraubendrehern und der zuletzt in der siebten Klasse etwas über Elektronik gelernt hatte. Nicht jedes Smartphone kann man reparieren, und nicht immer lohnen sich Mühe und Zeitaufwand. Aber es könnten viel mehr Geräte repariert werden, als im Moment der Fall ist.

Dieser Artikel ist der erste Teil meines Tagebuchs über meinen einwöchigen Platinen-Kurs. Mein Bericht ist nicht ganz chronologisch, denn Lernen hat viel mit Wiederholung und nachträglichem Verstehen zu tun. In diesem ersten Teil beschreibe ich die wichtigsten Lektionen über die Ursachen für Störungen im Inneren von Smartphones und wie man sie diagnostiziert. Im nächsten Artikel geht es darum, wie man diese Probleme behebt, und den Abschluss macht eine Analyse der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen von Mikrolöt- und Platinenreparaturwerkstätten.

Denke wie eine Ärztin, nicht wie ein Ingenieur

iPhone-Platine mit einem entfernten Chip und einem Fingernagel als Maßstab
Eine iPhone-Platine, von der ein Mikrochip abgelöst wurde. Der Fingernagel dient der Größeneinordnung. Jedes der Teile mit silbernen Seiten kann kaputtgehen – und repariert werden.

In Jessas Werkstatt, iPad Rehab, gibt es mit ziemlicher Sicherheit mehr Platinen als Einwohner in der Kleinstadt, in der sie sich befindet. Honeoye Falls erreicht man mit dem Auto in zwanzig Minuten von Rochester im Bundesstaat New York. Das Dorf zählt nur 2800 Einwohner*innen, fünf größere Straßen und einen Supermarkt. Von Buffalo aus fahre ich eineinhalb Stunden lang durch tristes, graues Februarwetter, um dorthin zu gelangen.

Jessa hatte uns aufgetragen, defekte Geräte zum Kurs mitzubringen. Die meisten hatten Smartphones dabei, die sich nicht mehr anschalten ließen. Einige hatten welche, die sich zwar anschalten ließen, aber ansonsten nicht funktionierten – das Display ging nicht an, der Touchscreen reagierte nicht und das Audio funktionierte nicht. Ich hatte ein geliehenes Pixel 2 dabei, dessen Display nicht mehr funktionierte, seit ich den Akku ausgetauscht hatte, und ein MacBook Air 2012, das beim Anschalten manchmal dreimal piepte, anstatt hochzufahren.

Wahrscheinlich würden wir die meisten unserer Geräte retten können, wenn nicht sogar alle, sagt Jessa. Zu unserem Training gehört, dass wir lernen, wie Ärztinnen zu denken und nicht wie Ingenieure. Wenn ein Ingenieur etwas reparieren soll, führt er dieselben standardmäßigen Tests durch wie bei jedem anderen Gerät und testet und vergleicht jeden Schaltkreis auf der Leiterplatte. Eine Ärztin hingegen sammelt so viele relevante Informationen wie möglich, um Symptome erkennen und einordnen zu können und mit ihrem Wissen über die häufigeren und auch die selteneren Krankheiten abzugleichen. Vor allem aber nimmt eine Ärztin nur die wirklich nötigen Eingriffe vor, um den Patienten zu heilen.

Jessa Jones bei Videoaufnahmen für einen Einführungskurs Mikrolöten in den iFixit-Räumlichkeiten 2015.

Jessa Jones ist eine bekannte Persönlichkeit in Kreisen der Platinenreparatur und Datenrettung. Wenn sie oder ihre Mitarbeitenden bei iPad Rehab es nicht schaffen, ein Smartphone wieder zum Leben zu erwecken, verdienen sie auch nichts. Solange eine Platine nicht verbogen oder durchgebrochen wurde, oder Prozessor oder Speicher schwer beschädigt sind, kann Jessa ein Gerät meistens soweit wieder reparieren, dass man sich einloggen kann. Es wird vielleicht nicht wieder hundertprozentig funktionieren, aber oft genug haben Leute dank iPad Rehab ihre Babyfotos, geschäftlichen Dokumente oder letzten Textnachrichten von verstorbenen Angehörigen wiederbekommen.

Gegen eines aber kommt auch Jessa nicht an: Die iCloud-Aktivierungssperre. Im Verlauf dieses Kurses wurde ein iPhone SE wiederbelebt, das in einen See gefallen war und nicht mehr reagierte, und ein iPad Mini wurde mit einer doppelten Dosis Ladespannung wieder zum Laufen gebracht. Aber die iCloud-Aktivierungssperre ist ein unüberwindliches Hindernis, wenn man die frühere Besitzerin nicht kennt, und keiner der vielen Tricks, die Jessa auf Lager hat, kann sie umgehen. Diese Erkenntnis war seltsam ernüchternd in einer Woche, in der so viel Unmögliches möglich gemacht wurde.

Anschluss eines losen Displays und einer Batterie an eine iPhone-Platine
Ein Kursteilnehmer in der iPad-Rehab-Werkstatt schließt geprüfte Ersatzteile an ein iPhone an, um zu testen, ob eines der Originalteile kaputt ist.

Der Kurs beginnt mit Regel Nummer Eins der Platinenreparatur: Kein Gerät hat ein Problem auf Leiterplattenebene, bis feststeht, dass alle anderen Teile funktionieren. In Reparaturwerkstätten werden dafür geprüfte Ersatzteile für so viele Geräte wie möglich bereitgehalten. Bevor man die Platine ausbaut oder das Löteisen erhitzt, verbindet man das Smartphone mit einem funktionierenden Display, Ladeanschluss und Akku und schaut, ob sich etwas tut.

Zum Üben gibt Jessa uns je ein loses iPhone 6 Logic Board. Ich sehe zu, wie die anderen den teuersten Bestandteil eines iPhones in Plastikbehältern herumschütteln oder auf Tische fallen lassen, Displays oder Akkus mit bloßen Händen anschließen und herausziehen – und bin mir sicher, dass mir die anderen mein Entsetzen vom Gesicht ablesen können. 

Am zweiten Kurstag überwinde ich meine Vorsicht und Behutsamkeit im Umgang mit Mikroelektronik. Ich frage Jessa, die ein loses Logic Board in der Hand hält, während sie seine Eingangsspannung misst, ob wir nicht Vorsichtsmaßnahmen treffen sollten – wegen Stromschlägen und Kurzschlüssen und so.

Jessa dreht ihren Stuhl herum und hält mir das immer noch angeschlossene Logic Board vor die Nase. „Siehst du diesen Ladeanschluss?“ Sie leckt daran. „Das sind nur ein paar Volt, Kevin. Trägst du Schuhe mit Sohlen? Oder stehst du in einer Wasserwanne, während du hier arbeitest? Siehst du, da passiert nichts.“

Die ganze Woche über zieht Jessa mich immer wieder auf, wegen der Annahmen über elektronische Geräte, die ich mir als technischer Redakteur im Laufe meiner Karriere angeeignet habe. Auch die anderen Kursteilnehmenden bleiben von ihren Seitenhieben nicht verschont. Trotz ihrer Spötteleien hat ihre Art etwas Ermutigendes an sich. Nach zwei Tagen diagnostiziert sie bei mir einen „mittleren bis schweren Fall von Kopfzerbrecheritis“, was definitiv die netteste Kritik ist, die ich je gehört habe.

„Siehst du diesen Ladeanschluss?“ Sie leckt daran.

„Das sind nur ein paar Volt, Kevin.“

Shot from behind of Jessa Jones teaching her board repair class
Der Blick vom Stuhl des Verfassers, während Jessa Jones eine Platine mit Wasserschaden unter dem Mikroskop untersucht.

Der praktische Teil unserer Reise in die Welt der Reparatur beginnt damit, dass wir die einzelnen Bestandteile der Leiterplatten lesen lernen. Wenn man genau hinschaut, erkennt man Drähte, Anschlüsse und ihre Stifte, Leiterbahnen, die mit der metallenen Grundschicht verbunden sind, und Vias (auch „Durchkontaktierungen“ genannt), unter der Oberfläche laufende Leitungen, die zu den Lötflächen unter den Chips laufen. Vor allem lernen wir, dass es verschiedene Arten Lötzinn gibt: Den bleifreien, der in Fabriken genutzt wird, die Blei-Zinn-Legierung, die die meisten Leute verwenden, und die Luxus-Variante aus Bismut und Zinn.

Das bringt uns zu einem der vielen Widersprüche im Versuch, Elektronik nachhaltig zu produzieren. Seit Mitte der 2000er Jahre verwenden die Hersteller kaum noch bleihaltiges Lötzinn, was wegen der Menge der produzierten Geräte ein großer Schritt für den Umweltschutz ist. Bleifreies Lötzinn ist allerdings brüchiger als bleihaltiges; wenn man die herkömmliche Blei-Zinn-Legierung für Reparaturen verwendet, werden die Geräte deutlich haltbarer. Und man braucht nur sehr, sehr wenig: Seit sie mit dem Mikrolöten angefangen hat, benutzt Jessa immer noch dieselbe Spule, die sie damals bei eBay gekauft hatte. „Hersteller verbessern ihre Umweltbilanz, indem sie bleifreies Lötzinn verwenden“, sagt sie. „Wir leisten unseren Beitrag, indem wir unsere Geräte länger verwenden.“

Nach der Einführung zu Platinen, Leiterbahnen und Lötzinn lernen wir die Komponenten kennen, die damit verbunden werden. Am zweiten Kurstag geht es um Kondensatoren, Widerstände, Transistoren, Filter, Drosseln, Dioden, Auf- und Abwärtsregler, MOSFET-Transistoren und Spulen. Zum Testen verwenden wir Multimeter, hauptsächlich in der Einstellung zur Diodenprüfung. Während die rote Messleitung des Multimeters die Grundplatte berührt, halte ich seine schwarze Messleitung an die einzelnen Teile und prüfe, ob eine der folgenden Fehlermeldungen erscheint: 

  • OL steht für „open loop“, offener Stromkreis, oder „overload“, Überlastung. Der Stromkreis ist unterbrochen, z. B. durch ein beschädigtes Bauteil. Dadurch ist der Widerstand zum ground unendlich groß, jenseits des Messbereichs des Multimeters (daher „overload“). Dieser Zustand wird auch als „Leerlauf“ bezeichnet.
  • Kurzschluss, eine unbeabsichtigte Verbindung, normalerweise zur Grundplatte. Auf dem Multimeter wird „0,0“ angezeigt, weil kein Widerstand zwischen der Messleitung an der Grundplatte und der Komponente besteht, die ich teste – ihre Spannung geht bereits in Platte.
  • Ein Widerstand, der stark von dem abweicht, was im offiziellen – oder inoffiziellen – Schaltplan steht (mehr dazu später).
Testen der Platine eines iPhones mit einem Multimeter
Ich teste die Anschlüsse eines iPhone-Displays mit einem Multimeter (und einem speziellen Gerät zum Testen von Anschlüssen, das aber nicht im Bild ist).

Auch wenn das viele Infos sind – die gute Nachricht ist, dass das erstmal alles ist, was man auf einem Multimeter kennen sollte, wenn man mit dem Mikrolöten anfängt. Wenn ein Gerät nicht mehr funktioniert, nachdem es fallengelassen, verbogen, in Wasser gelegen oder mit instabiler Spannung geladen wurde, liegt das daran, dass eines dieser Bauteile auf der Leiterplatte kurzgeschlossen oder beschädigt ist, sein Stromkreis unterbrochen ist oder sich seine Verbindung gelöst hat.

Die üblichen Verdächtigen

Woher weiß man, welche Komponente dafür verantwortlich ist, dass ein Smartphone nicht mehr angeht, wenn es Hunderte dieser winzigen Teile gibt? Wenn man schon etwas Erfahrung damit hat, kann man ganz gut abschätzen, welche am ehesten infrage kommen, noch bevor man das Handy auseinandernimmt.

Wenn ein Display wieder angeschlossen wurde, obwohl der Akku noch verbunden war, können bestimmte dünne Filter Schaden nehmen. Wenn Wasser ins Gerät eingedrungen ist, dann vermutlich an einer typischen Stelle, wie zum Beispiel in der Nähe des SIM-Karten-Schlitzes am „wasserabweisenden“ iPhone X. Die iPhones 6 und 7 lassen sich leichter verbiegen als andere, wodurch sich die winzigen Lötverbindungen zu den Chips auf der Platine lösen können, was wiederum zur „Touch Disease“ beim iPhone 6 (Plus) oder zu Problemen mit dem Audio-Chip am iPhone 7 (Plus) führen kann. Und wenn ein Gerät schon einmal auseinandergenommen wurde, egal ob von Profis oder DIY-Tüftler*innen, schaut man nach Schäden, die durch zu lange Schrauben verursacht wurden. Diese Probleme kommen in Reparaturwerkstätten so häufig vor wie Halsweh bei der Kinderärztin.

Was passiert, wenn man das Problem nicht anhand seiner Symptome diagnostizieren kann? Man führt ein paar Tests durch und schaut sich die Leiterplatte genauer an. Ein simpler Test besteht darin, einen USB-Strommesser an das Smartphone anzuschließen und den Startvorgang mitzuverfolgen. Je nachdem, wie die Stromstärke ansteigt, schwankt oder an einem ungewöhnlich tiefen Punkt stehenbleibt, kann man einiges über den Zustand des Handys lernen – ob es sich anschalten kann, im DFU-Modus steckenbleibt, „hirntot“ ist wegen Schäden am Prozessor oder internen Speicher, und so weiter.

Jetzt, da man den Allgemeinzustand des Geräts einschätzen kann, unterzieht man die Platine einer genaueren Untersuchung. Dabei führt man vor allem drei Tests durch:

  • Aussehen: Schau dir die Platine unter einem Mikroskop an. Welche Teile sind korrodiert, ausgebrannt, weisen Risse oder trübes Lötzinn auf? Oder fehlen ganz einfach?
  • Hitze: Verbinde die Platine einen Moment lang mit einer Stromquelle und beobachte, ob einzelne Komponenten deutlich schneller heiß werden als ihre Umgebung.
  • Ausschlussverfahren (auch „Methode der rohen Gewalt“): Teste jede Komponente durch jeden Stromkreis, mit dem sie verbunden ist und entferne sie dabei, wenn nötig.

Vielleicht fragst du dich: „Wie kann man denn bitte beobachten, welche Komponenten sich erhitzen?“ Danke für diese Frage, denn die Antwort ist klasse: Mit einer Wärmebildkamera, die man an ein Smartphone anschließt, kann man tatsächlich sehen, wie sich weißglühende Komponenten von einer noch blauen, weil gerade erst angeschalteten, Platine abheben. Eine günstigere Möglichkeit besteht darin, die Leiterplatte mit Gefrierspray zu besprühen und dann zu schauen, auf welchen Komponenten die Beschichtung zuerst schmilzt. Noch günstiger, aber nicht unbedingt ratsam: Sich die Leiterplatte ans Gesicht zu halten, wie Jessa es in ihren Anfängen manchmal getan hatte.

Genaue Betrachtung einer Wärmebildkamera, die über einer iPhone-Platine schwebt
Mit einer Wärmebildkamera prüfe ich eine Leiterplatte auf überhitzte Komponenten, die auf einen Kurzschluss hinweisen könnten.

Wenn man so weit gekommen ist, kann man schon ganz gut abschätzen, auf welchem Teil der Platine das Problem liegt, aber man weiß noch nicht, was genau sich dort abspielt. Nicht einmal Jessa kennt jeden Kondensator auswendig. Zu diesem Zeitpunkt bleibt einem nichts anderes übrig, als endlose PDF-Dokumente zu Rate zu ziehen, die man eigentlich nicht haben sollte, und eine umständliche chinesische Software.

Schaltpläne und Software aus zweifelhaften Quellen

Schaltpläne zeigen jede Komponente einer Leiterplatte und die Stromleitungen, die sie verbinden. Gute Schaltpläne sind PDF-Dateien, die man auf Stichworte in Textform durchsuchen kann, sodass man zum Beispiel den Weg der USB_VBUS_DETECT-Leitung verfolgen kann, vom Akku über einen Widerstand zum USB-Controller-Chip. Das mag kompliziert klingen, aber es handelt sich hauptsächlich um Suchen per Tastaturkürzel (Strg/Cmd + F) und die Entschlüsselung von Benennungsschemata.

Bei einigen Firmen, wie zum Beispiel Samsung, kann man die Schaltpläne für ihre Geräte kaufen. Apple lässt – bis jetzt jedenfalls – niemanden außerhalb seiner eigenen Produktionsketten an seine Schaltpläne. Aber sie werden gefunden, und ohne diese gefundenen Pläne könnten Werkstätten, die Reparaturen auf Leiterplattenebene anbieten, diese Geräte nicht wiederherstellen. Sollte das Recht auf Reparatur irgendwann einmal gesetzlich verankert werden, wären Hersteller dazu verpflichtet, ihre Schaltpläne Werkstätten zugänglich zu machen. Bis es soweit ist, wird die Entzifferung der riesigen Dokumente eine Herausforderung für Reparaturfans bleiben.

Schaltpläne können Aufschluss über jede einzelne Komponente geben, ihre Aufgaben, normale Spannung und mehr. Aber die Arbeit mit einem solchen Plan im PDF-Format kann frustrierend sein. Man muss zwischen mehreren Seiten hin- und herspringen, um einem einzigen Stromkreis folgen zu können, und die Benennungsschemata sind für Laien nur schwer zu durchschauen. Einfacher geht es mit spezieller Software, die das Auffinden einer Komponente und der damit verbundenen Leitungen durch visuelle Hervorhebungen erleichtert. Auf einer Draufsicht der Leiterplatte kann man die Komponente anklicken, bei der man das Problem vermutet, oder ihre Bezeichnung in ein Suchfeld eintippen. Alle anderen Teile, die mit der Komponente in Verbindung stehen, werden dann hervorgehoben.

Wie die meisten in der Branche der Platinenreparatur verwendet Jessa ZXWTEAM, alias Zillion x Work. Der Name beruht auf der durchaus ernstgemeinten Behauptung, dass eine Werkstatt eine Zillion mehr Aufträge erhält, wenn sie diese Software nutzt. Die App ist nicht leicht zu bedienen und löst auf vielen Computern Virenalarm aus. Die Authentifizierungsserver befinden sich in China und es ist schwierig, in den USA an die Software heranzukommen (aber Jessa verkauft Lizenzen dafür). Bei iFixit verkaufen wir sie nicht, weil unsere Rechtsabteilung uns davon abgeraten hat. Aber sie ist essenziell für alle, die Reparaturen auf Leiterplattenebene durchführen wollen.

Worauf es wirklich ankommt

Anders als bei den meisten College-Kursen wurde uns bei Jessas Grundkurs Platinenreparatur von Anfang an klargemacht, warum es wichtig ist, die Theorie und Funktionsweise von Leiterplattenelektronik zu verstehen, bevor wir mit dem Löteisen loslegen. Es spart vor allem Zeit bei der Fehlerdiagnose und man hält sich nicht mit unnötigen Arbeiten auf. Aber ich habe dadurch auch gelernt, dass „kaputt“ nicht gleich „kaputt“ ist. Die meisten elektronischen Geräte, die nicht mehr funktionieren, sind nämlich nicht wirklich „kaputt“. Der Strom, den sie brauchen, fließt nicht richtig und etwas muss ersetzt, entfernt oder neu verbunden werden, um ihn wieder fließen zu lassen.

Für diejenigen unter euch, die sich mit dem Innenleben ihrer Geräte gut auskennen, ist das wahrscheinlich nichts Neues. Aber für mich bedeutet es die komplette Neuordnung meiner Sichtweise auf die alleskönnenden Alltagsbegleiter. Seit Smartphones und Tablets Teil meines Lebens wurden, hat meine Beziehung zu ihnen mehrere Phasen durchlaufen: 

  • „Das Handy lädt nicht mehr. Ich brauche ein neues.“
  • „Vielleicht kann ich den Akku oder das Display austauschen lassen.“
  • „Eigentlich kann ich den Akku oder das Display selber austauschen.“
  • „Jetzt schaltet sich das Handy aber nicht mehr an, also brauche ich wirklich ein neues.“

Die nächste und letzte Phase habe ich durch diesen Kurs erreicht: Ich kann auch das Innenleben meines Smartphones reparieren, ja, sein Gehirn. Denn das besteht schlicht aus winzigkleinen Drähten. Wenn man die nötige Ausstattung hat, um winzige Dinge zu betrachten, kann man auch die winzigen Reparaturen vornehmen, die ihm ein neues Leben schenken. Aber es kommt nicht nur auf die Ausstattung an; Sorgfalt, Hartnäckigkeit und genaues Hinschauen sind mindestens ebenso wichtig.

Eines der Geräte, das die anderen Kursteilnehmenden mitgebracht hatten, war ein iPhone 6, das schon einiges hinter sich hatte. Die Hintergrundbeleuchtung ging nicht an, die Lautsprecher funktionierten nicht, der Audio-Chip reagierte nicht und ein weiterer Chip hatte gerade den Geist aufgegeben. Das iPhone war bereits von Apple begutachtet und unverrichteter Dinge zurückgeschickt worden, und zwei weitere Reparaturwerkstätten hatten vergeblich versucht, das Problem ausfindig zu machen. Aber Jessa entdeckte, was alle anderen übersehen hatten: Einen Widerstand, direkt neben dem Prozessor, der nicht mehr richtig funktionierte. Widerstände sind, nun ja, widerstandsfähig und gehen selten kaputt. Aber wenn es doch passiert, ist ein Stromkreis unterbrochen. Jessa nahm ein Ersatzteil von einer Spenderplatine und baute es ein. Sie zog die Original-Hintergrundbeleuchtung vom Display, hielt das Display vor die Lichtquelle ihres Mikroskops und schloss ein Ladekabel an das leidgeprüfte iPhone an.

Ein iPhone-Bildschirm, beleuchtet von einer Mikroskopkamera

Das Apple-Logo erschien, dann der Sperrbildschirm. Die Kursteilnehmenden jubelten. Ich schrieb in mein Notizbuch: „Ich bin bekehrt. Das war wahre Hexerei.“ Ich hatte nicht mehr das Gefühl, mich auf eine irrwitzige Geschichte eingelassen zu haben, sondern vielmehr, als wäre ich gerade einem Geheimbund beigetreten. 

In der Fortsetzung erklären wir detaillierter, wie man solche Reparaturen zaubert: Hitze, Lötzinn, Flussmittel, glänzende kleine Lotkugeln und andere Requisiten der Leiterplatten-Reparatur werden eine Rolle spielen. Aber Vorsicht: Es sieht sehr viel einfacher aus, wenn Jessa mit winzigen Komponenten hantiert, als wenn Normalsterbliche es versuchen. So wie ich.


Disclaimer: Dieser Artikel wurde von Maria Parker übersetzt.