Was ist das Recht auf Reparatur?
Recht auf Reparatur

Was ist das Recht auf Reparatur?

Wenn du etwas kaufst, solltest du das Recht haben, es zu reparieren. Egal, ob du es zu einer selbst gewählten Werkstatt bringen möchtest oder die Reparatur selbst angehen willst. Tatsächlich werden aber deine Reparaturmöglichkeiten von den Herstellern aller möglichen Produkte – Smartphones, Traktoren, Rollstühlen und vielem mehr – erheblich eingeschränkt. Das ist auf empörende Weise unfair, denn dadurch werden Reparaturen teurer und schwerer zugänglich. 

Die weltweite Bewegung hinter dem Recht auf Reparatur setzt sich dafür ein, dass uns für Reparaturen verschiedene Möglichkeiten offenstehen und Hürden abgebaut werden. Gesetze, die das Recht auf Reparatur betreffen, beruhen auf drei Grundsätzen: Das Recht, deine eigenen Dinge zu öffnen; den Zugang zu den nötigen Ersatzteilen und Werkzeugen zu verbessern; und die Unterstützung unabhängiger Reparaturwerkstätten.

Für den Fall, dass du noch nicht davon gehört hast: Im US-Bundesstaat New York wurde Anfang Juni das weltweit erste Gesetz erlassen, das spezifisch das Recht auf die Reparatur elektronischer Geräte regelt. Ab 2023 muss den Bürger:innen New Yorks der Zugang zu Ersatzteilen, Software und Reparaturanleitungen für alle elektronischen Geräte gewährt werden. Die Befürworter:innen des Rechts auf Reparatur sind der Ansicht, dass dieses Recht allen Menschen gewährt werden sollte. Auf der ganzen Welt.

Vor nicht allzu langer Zeit war es möglich, den Akku eines Handys manuell auszutauschen – ohne Werkzeug! – und jedem Gerät lagen Anleitungen bei. Aber heimlich, still und leise schlich sich die geplante Obsoleszenz auch in die Welt der Alltagselektronik ein. Und wurde zum Normalfall.

Es gibt einen einfachen Grund, warum sich Unternehmen gegen das Recht auf Reparatur stellen: Sie verdienen sich eine goldene Nase an der Kontrolle über unsere Reparaturoptionen. Sie verdienen daran, dass du ihren Reparaturservice nutzt. Sie verdienen, wenn unabhängige Reparaturwerkstätten keinen Zugang zu den Ersatzteilen haben, die für die Reparatur deines Geräts nötig sind. Und sie verdienen, wenn du dich trotz bester Absichten dazu entschließt, dir ein neues Gerät zuzulegen, weil dir der Aufwand der Reparatur einfach zu groß ist.

Hersteller behaupten gern, sie seien um die Sicherheit ihrer Kund:innen besorgt. Allerdings zeigen Daten der US-Behörde für Arbeitsstatistik (U. S. Bureau of Labor Statistics), dass Unfälle bei der Arbeit – über alle Berufe hinweg – durchschnittlich sechs Mal häufiger sind als beim Reparieren. Und auch in unabhängigen Werkstätten arbeiten qualifizierte und erfahrene Reparateur:innen. Ein weiteres Lieblingsargument von Herstellern: Sie seien um den Datenschutz ihrer Kund:innen bemüht. Eine Untersuchung der US-Behörde für Wettbewerb und Verbraucher:innenschutz, der Federal Trade Commission, fand jedoch keinen Hinweis darauf, dass unabhängige Reparaturwerkstätten weniger sorgfältig mit dem Thema umgingen. Oder Hersteller versichern, sie würden sich Gedanken um die Gerätesicherheit machen – nun ja, Cybersicherheits-Expert:innen von den Universitäten Maryland in Baltimore County und Johns Hopkins erklären, dass die Reparatur durch Dritte kein Risiko für die Cybersicherheit darstelle. Es sind also leise, ganz leise Zweifel angebracht: Wäre es möglich, dass Hersteller Reparaturen verhindern, einfach, weil sie es wollen?

Falls du selbst für einen Hersteller arbeiten solltest, können wir euch gerne dabei helfen herauszufinden, wie ihr eure Produkte reparaturfreundlicher machen könnt

Zwielichte Taktiken gegen die Reparatur

Hersteller nutzen verschiedene Tricks, um Verbraucher:innen von der Reparatur ihrer Geräte abzuhalten und dazu zu bringen, sich immer wieder neue anzuschaffen. Dies sind einige davon:

Den Zugang zu Ersatzteilen, Werkzeugen und Anleitungen erschweren

Viele Hersteller erschweren den Zugang zu Ersatzteilen und Werkzeugen, indem sie sie nur ihren eigenen Werkstätten zur Verfügung stellen. Durch diese Art von Kontrolle entsteht ein Reparaturmonopol, das unabhängige Werkstätten aus dem Markt ausschließt und das es Herstellern ermöglicht, Preise künstlich hochzuhalten. Es ist kein Zufall, dass die Reparatur eines Smartphone-Displays in vielen Fällen etwa halb so teuer wie die Anschaffung eines neuen Geräts ist. Die sogenannte Fünfzig-Prozent-Regel ist eine willkürliche (aber vielzitierte) Schwelle, an der viele Kund:innen sich gegen eine Reparatur und für eine Neuanschaffung entscheiden. Zusätzlich zur Kontrolle über die Ersatzteile weigern sich viele Hersteller auch, die nötigen Reparaturanleitungen zu veröffentlichen – Anleitungen, die sowieso schon für den internen Gebrauch existieren. Wenn Anleitungen fehlen, werden DIY-Reparaturen deutlich schwieriger und auch gefährlicher.

Ersatzteile von Drittanbietern blockieren

Manche Hersteller gehen noch weiter, als nur den Zugang zu Original-Ersatzteilen zu beschränken: Sie lassen Ersatzteile von Drittanbietern durch ihre Geräte blockieren. HP wurde zum Beispiel dabei erwischt, wie es künstliche Fehlermeldungen einsetzte, um die Verwendung von Druckerpatronen von Drittanbietern zu verhindern – und zahlte seinen Kund:innen in der Folge eine saftige Abfindung. Apple nutzt Warnhinweise („nicht verifizierbar“), die ständig auf dem Login-Bildschirm erscheinen und auch zu den Geräteinformationen hinzugefügt werden, um Kund:innen davon abzuschrecken, Ersatzteile von Drittanbietern einzubauen. John Deere lässt seine Traktoren nur noch im Schneckengang fahren, wenn bestimmte Fehlermeldungen erscheinen, bis diese mit einer Software abgeschaltet werden, über die nur autorisierte Händler verfügen. Diese künstlichen Fehlermeldungen und Funktionseinschränkungen haben nur ein Ziel: Kund:innen davon abzuhalten, sich an unabhängige Werkstätten zu wenden und stattdessen ihre Abhängigkeit vom Reparaturmonopol der Hersteller zu manifestieren.

Die Kopplung von Bauteilen mit dem Motherboard

Eine immer häufiger eingesetzte und leider sehr effektive Strategie, um unerwünschte Reparaturen zu verhindern, ist die Kopplung einzelner Bauteile mit dem Motherboard. Wenn eine defekte Komponente ersetzt wird, wird die neue vom Motherboard nicht erkannt. Die einzige Möglichkeit, die kaputte Komponente zu ersetzen, besteht dann darin, eine neue mitsamt einem neuen Motherboard zu besorgen, wodurch die Reparatur schnell sehr teuer und auch komplizierter wird. Zum ersten Mal haben wir das bei der Xbox 360 gesehen, wo das Laufwerk mit dem Motherboard gekoppelt war, sodass die Reparatur zehnmal (!) so viel kostete wie das Laufwerk allein. Seitdem machen das immer mehr Hersteller, um Reparaturen durch unabhängige Anbieter zu verhindern. Wenn man beispielsweise im Rahmen des Self-Service-Reparaturprogramms von Apple ein Ersatzteil bestellt, wird dieses mit dem iPhone gekoppelt, dessen Seriennummer man bei der Bestellung eingibt und lässt sich – auch wenn das Bauteil noch funktioniert, wenn das betreffende iPhone anderweitig kaputtgeht – dann in kein anderes einbauen. Dadurch werden die Möglichkeiten von unabhängigen Reparatur- und Wiederaufbereitungswerkstätten deutlich eingeschränkt. Dabei haben Hersteller grundsätzlich die Möglichkeit, diese Komponenten umzucodieren, sodass sie auch in anderen Geräten funktionieren, und lassen ihre autorisierten Händler das auch tun. Aber indem sie die nötige Software für sich behalten, stärken sie ihr Monopol auf dem Reparaturmarkt.

Reparaturfeindliches Produktdesign

Auch im Designprozess werden alle möglichen Entscheidungen getroffen, um die Reparierbarkeit von Produkten einzuschränken oder zu verhindern. So werden proprietäre Schraubenköpfe verwendet, sodass man extra für die Reparatur neue Werkzeuge besorgen muss. Akkus werden mit Industriekleber befestigt, was ihren Austausch unverhältnismäßig schwierig macht. Bauteile werden in größere Einheiten zusammengelötet, was bedeutet, dass man beispielsweise die komplette obere Abdeckung einer Tastatur ersetzen muss, um nur eine einzige Taste zu erneuern. 

Die Bereiche des Rechts auf Reparatur

Um solche Strategien künftig zu verhindern, setzen wir uns weltweit für die gesetzliche Implementierung des Rechts auf Reparatur ein. Dabei spielen verschiedene Gesetzeskategorien eine Rolle:

Gesetze über den Zugang zu Ersatzteilen, Werkzeugen und Reparaturanleitungen

Das erste moderne Gesetz, das sich mit dem Recht auf Reparatur befasste, war der Motor Vehicle Owners’ Right to Repair Act im US-Bundesstaat Massachusetts im Jahr 2012, der Kfz-Eigentümer:innen das Recht zusichert, ihre Fahrzeuge in der Werkstatt ihrer Wahl reparieren zu lassen. Nachdem das Gesetz verabschiedet wurde, setzten sich Kfz-Hersteller mit Befürworter:innen des Rechts auf Reparatur an einen Tisch und handelten bis 2014 eine Vereinbarung aus, die allen Kfz-Besitzer:innen in den USA den Zugang zu Ersatzteilen, Werkzeugen und Reparaturanleitungen für ihre Fahrzeuge garantieren würde.

Die meisten Gesetze, die in den USA seitdem bezüglich des Rechts auf Reparatur erlassen wurden – einschließlich dem kürzlich beschlossenen Gesetz in New York – basieren auf diesem Modell. Inzwischen gibt es in 38 der 50 US-Bundesstaaten Gesetze zum Recht auf Reparatur; die meisten zielen darauf ab, Verbraucher:innen und unabhängigen Werkstätten den Zugang zu Ersatzteilen, Werkzeugen und Reparaturanleitungen zu sichern. Einige Gesetze sind spezifisch auf bestimmte Geräteklassen ausgerichtet, wie zum Beispiel in Colorado, wo vor Kurzem ein Gesetz verabschiedet wurde, das das Recht auf Reparatur von elektrischen Rollstühlen regelt.

Auch auf Bundesebene wird in den USA aktuell über Gesetze diskutiert, die den Zugang zu Ersatzteilen, Werkzeugen und Reparaturanleitungen regeln soll, nämlich bezüglich elektronischer Geräte sowie Traktoren.

Gesetze zur Kennzeichnung von Produkten hinsichtlich ihrer Reparierbarkeit

Wir bewerten schon seit Langem die Reparierbarkeit elektronischer Geräte und legen Verbraucher:innen nahe, mehr auf die Reparierbarkeit der Produkte zu achten, die sie kaufen. Das wurde nun in einigen Ländern auch von der Gesetzgebung aufgegriffen.

Frankreich hat 2021 einen Reparierbarkeits-Index eingeführt, der Hersteller von fünf Produktkategorien dazu verpflichtet, die Reparierbarkeit ihrer Produkte auf deren Verpackung zu kennzeichnen. Dazu gehört auch Unterhaltungselektronik. Laut einer Studie von OpinionWay, die von Samsung in Auftrag gegeben wurde, hatte Mitte 2021 die große Mehrheit französischer Verbraucher:innen von dem Index gehört und nutzte ihn, um reparierbarere Produkte zu erwerben. Im US-Bundesstaat Washington wurde 2022 ein Gesetz zur Kennzeichnung von Reparierbarkeit eingebracht, erhielt aber nicht die nötige Mehrheit.

Französische Hersteller sind verpflichtet, die Bewertung auf dem Reparierbarkeits-Index beim Kauf sichtbar zu machen.

Ähnlich wie Energieklassen Verbraucher:innen Auskunft darüber geben, wie viel Strom ein Gerät während seiner Lebensdauer verbraucht, sollte auch deutlich gemacht werden, wie gut man es reparieren kann. Der französische Reparierbarkeits-Index hilft Verbraucher:innen dabei, die Instandhaltungskosten für ein Gerät in ihre Kaufentscheidung miteinzubeziehen und fördert nachhaltiges Produktdesign.

Gesetze zum Copyright

Die gegnerische Seite nutzt andererseits oft Copyright-Gesetze aus, um Reparaturmöglichkeiten einzuschränken. In den USA wurde es 1998 durch den Digital Millenium Copyright Act gesetzwidrig, „technologische Schutzmaßnahmen zu umgehen“ – was bedeutet, dass man gegen das Copyright verstößt, wenn man Kopplungs- oder Sperrsoftware umgeht, und zwar auch dann, wenn man dadurch eine Reparatur ermöglichen will. Obwohl die Library of Congress, die den Anwendungsbereich des Gesetzes regelmäßig anpasst, Ausnahmen für einzelne Reparaturen gewährt, decken diese nicht die Software ab, die man benötigt, um ein Ersatzteil zu aktivieren. 2022 begann der Kongress der USA, über eine dauerhafte Lösung für diese Zweckentfremdung der Copyright-Gesetze zu diskutieren. Auch in Kanada gibt es eine ähnliche Gesetzgebung, gegen die der Abgeordnete Bryan May 2021 einen Gesetzesentwurf einbrachte. 

Der Sinn und Zweck von Copyright-Gesetzen ist, geistiges Eigentum vor unerlaubter Verwendung zu schützen. Sie waren nie dafür gedacht, Reparaturen zu verhindern. Das Argument der Hersteller in ihrem Kampf gegen die Reparatur war oft, dass der freie Zugang zu Sperrsoftware dazu führen würde, dass diese illegal kopiert werden würde. Die Aufsichtsbehörde über Copyright in den USA, das Register of Copyrights, hat diese Bedenken zurückgewiesen; es könne keine Belege dafür finden. Wenn man diejenigen Maßnahmen des Digital Millennium Copyright Act anpassen würde, die die Möglichkeiten zur Reparatur einschränken, würde das Plagiieren proprietärer Software nicht plötzlich legal werden. Unternehmen könnten weiterhin gegen die unerlaubte Vervielfältigung ihres geistigen Eigentums klagen. Das sehen nicht nur wir so, sondern auch Rechtswissenschaftler:innen wie z. B. Leah Chan Grinvald und Ofer Tur-Sinai, die sich in einem Beitrag im Fordham Law Review dafür aussprechen, dass „Gesetze, die das geistige Eigentum betreffen, die vollständige Implementierung eines Rechts auf Reparatur nicht verhindern sollten“.

Menschen, die kreativ-schöpferisch tätig sind, sollten mit ihren Arbeiten Geld verdienen können. Aber Copyright-Gesetze als Vorwand zu nehmen, um Reparatur zu verhindern, ist eine üble Zweckentfremdung.

Gesetze im Bereich Produktdesign

Bis jetzt gibt es zwar noch keine Gesetze, die Hersteller zu reparaturfreundlicherem Produktdesign verpflichten, aber sie sind auf dem Weg. Das EU-Parlament stimmte im Februar 2022 dafür, dass Akkus zukünftig von Verbraucher:innen selbst austauschbar sein müssen. Auch wenn es bis zur Einführung eines Gesetzes noch etwas dauern dürfte, werden EU-Mitgliedsstaaten nun wahrscheinlich auch auf nationaler Ebene regeln, dass Geräte, die innerhalb ihrer Landesgrenzen verkauft werden, austauschbare Akkus enthalten müssen. 

Die Zukunft ist reparierbar!

Reparatur schont das Portemonnaie von Verbraucher:innen; Reparatur schützt die Umwelt; Reparatur hilft uns zu verstehen, wie unsere Sachen funktionieren. Als globale Gesellschaft können wir es uns einfach nicht leisten, so weiterzumachen wie bisher, was die Produktion neuer Konsumgüter betrifft. Und wir können uns definitiv nicht leisten, so viel davon wegzuwerfen.

Ein gesetzlich verankertes Recht auf Reparatur wird uns dabei helfen, unsere Sachen zu überschaubaren Preisen repariert zu bekommen. Es wird Arbeitsplätze schaffen und einen gesunden Wettbewerb auf dem Reparaturmarkt. Es wird den Kauf reparierbarer Produkte fördern. Das Recht auf Reparatur ist die Zukunft. Denn Reparatur ist einfach logisch.

Schließ dich uns an! In Europa kannst du dich auf repair.eu informieren. Wenn du in den USA lebst, schau bei repair.org vorbei. In Kanada ist die Canadian Repair Coalition für dich da, und in Australien das Australian Repair Network

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.