Was das Recht auf Reparatur für Hersteller bedeutet
Recht auf Reparatur

Was das Recht auf Reparatur für Hersteller bedeutet

Welche Möglichkeiten gibt es für Hersteller, Gesetze zum Recht auf Reparatur umzusetzen?

Das erste Gesetz zum Recht auf Reparatur in den USA seit 2012 und das erste Gesetz überhaupt, das speziell das Recht auf die Reparatur elektronischer Geräte regelt, wurde vor Kurzem im US-Bundesstaat New York verabschiedet. Es ist zwar noch nicht US- oder gar weltweit Gesetz. Aber der Wind dreht sich, und wenn die großen Hersteller keine nassen Füße bekommen wollen, sollten sie schleunigst die Kurve kriegen. Aber in welche Richtung soll es gehen? Und wie, und warum? Lasst uns näher betrachten, was das Recht auf Reparatur für die Hersteller bedeutet, deren Produkte früher oder später repariert werden müssen!

Was ist das Recht auf Reparatur?

Das Recht auf Reparatur ist ein Oberbegriff für alle Gesetze, die den freien Markt der Reparatur schützen. Es ist vor allem im Bereich elektronischer Geräte bekannt, weil diese nicht nur hochspezialisiert und sehr kostspielig sind, sondern ihre Reparatur von den Herstellern zunehmend eingeschränkt und monopolisiert wird. Gesetze dazu – vom Magnuson-Moss-Act aus dem Jahre 1975 bis zur jüngsten Gesetzgebung in New York – wollen sicherstellen, dass Reparatur vom freien Markt geregelt wird und nicht von den Herstellern kontrolliert wird. Es wäre absurd, wenn zum Beispiel Scheibenwischwasser nur im Abonnement von BMW erhältlich wäre – warum also finden Drucker-Hersteller nichts dabei, das so mit ihren Patronen zu machen? Und warum können wir Akkus nicht genauso problemlos auswechseln wie Reifen, wenn sie sich abnutzen? 

Weil der Anwendungsbereich des Rechts auf Reparatur so groß ist, ändert sich der Fokus der Gesetzgebung ständig. Durch den Magnuson-Moss Act wurde geregelt, dass ein Garantieanspruch nicht dadurch verfällt, dass bei einer Reparatur Ersatzteile von Drittanbietern verwendet wurden. Ähnlich ist das gegenwärtige Bestreben, den Zugang zu Reparaturanleitungen und Ersatzteilen für alle sicherzustellen, ein Schritt auf dem Weg in eine reparaturfreundliche Zukunft – ohne Beschränkungen wie Softwaresperren oder zweckentfremdetem Copyright.

Die Investition in Maßnahmen, die die Reparierbarkeit von Produkten sicherstellen, mag Finanzabteilungen großer Unternehmen vielleicht zunächst die Laune verderben. Aber wenn man genauer hinschaut, ist es nicht nur gut für Umwelt und Verbraucher:innen, reparaturfreundliche Produkte zu entwickeln, sondern auch gut fürs Geschäft! Wenn Reparatur schon beim Produktdesign mitgedacht wird, werden Herstellungs- und Aufbereitungskosten gespart, und falls das Schreckensszenario einer großen Teile-Rückruf-Aktion Wirklichkeit werden sollte, können dadurch Kosten in Milliardenhöhe verhindert werden (Samsungs Rückrufaktion des Galaxy Note 7 kostete das Unternehmen 5,3 Milliarden Dollar – wenn der Akku leichter auszutauschen gewesen wäre, wären die Verluste deutlich geringer ausgefallen). Reparierbare Geräte sind außerdem leichter zu recyceln, sodass die Altgeräteentsorgung wesentlich umweltfreundlicher und unkomplizierter ablaufen kann.

Vor allem aber ist Reparierbarkeit ein wichtiger Faktor in der Kund:innenbindung. 95 % von iFixit-Mitgliedern sagen aus, dass eine erfolgreiche Reparatur es wahrscheinlicher macht, dass sie dieselbe Marke wieder kaufen werden. Und für 96 % aller US-Amerikaner:innen ist Reparierbarkeit ein wichtiges Entscheidungskriterium, wenn sie ein Auto kaufen, und für 77 %, wenn sie ein Smartphone kaufen. Reparierbarkeit ist ein essentieller Bestandteil des Rechts auf Reparatur, denn nur dann, wenn wir Zugang zu den richtigen Ersatzteilen, Informationen und Werkzeugen haben, können wir unsere Geräte auch reparieren. 

Welche Anforderungen werden an Hersteller gestellt?

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Werkzeuge, Wissen und ein freier Zugang zu Reparatur sind Grundbedürfnisse.

Der aktuelle Fokus der Bewegung für das Recht auf Reparatur liegt auf drei Grundsätzen: Ersatzteile sollten zu vertretbaren Preisen erhältlich sein, Reparaturanleitungen sollten kostenlos und frei zugänglich sein, und weitergehende Informationen – wie bestimmte Software oder Schaltpläne – sollten verfügbar sein.

Fürsprecher:innen für die Reparatur arbeiten außerdem daran, die Kennzeichnung von Produkten hinsichtlich ihrer voraussichtlichen Lebensdauer und ihrer Reparierbarkeit voranzutreiben, Copyright-Gesetze unter die Lupe zu nehmen und ihren Missbrauch zu bekämpfen, und reparierbares Design (z. B. austauschbare Akkus, lange Software-Unterstützung etc.) voranzutreiben.

Für diese Rechte wird mit Zähnen und Klauen gekämpft und allmählich finden sie ihren Weg in unseren Alltag. Im US-Bundesstaat Colorado wurde erreicht, dass elektrisch betriebene Rollstühle leichter zu reparieren sind, und damit ein Monopol zerschlagen, das Menschen teilweise wochenlang warten ließ, bis sie ihr fundamentales Recht auf Fortbewegung wiederbekamen. Der Bundesstaat New York hat viele Geräte seiner Bürger:innen aus dem Würgegriff der Hersteller befreit, muss allerdings noch nachliefern, um auch die Reparierbarkeit von Haushaltsgeräten unter denselben Schutz zu stellen. Das Recht auf Reparatur gewinnt Land, und für die Hersteller ist es an der Zeit, ihr Verhältnis zur Reparatur gründlich zu überholen.

Falls du für einen Hersteller arbeitest und das alles etwas beängstigend klingt – wir möchten dir sagen, was wir DIY-Tüftler:innen seit fast zwanzig Jahren versichern: Du schaffst das. Wir zeigen dir, wie.

Wie können Hersteller ihren Verpflichtungen zum Recht auf Reparatur nachkommen?

Auch wenn die Reparatur für viele Hersteller Neuland ist: sich darauf einzustellen, dürfte nicht allzu schwierig sein. In manchen Fällen mag es einfach nur bedeuten, die Ressourcen, die autorisierten Werkstätten zur Verfügung stehen, auch anderen zugänglich zu machen – so, wie es Apple über die Jahre allmählich getan hat. Aber auch für Hersteller, die kein Netzwerk von Werkstätten etabliert haben, gibt es mehrere Möglichkeiten. 

Möglichkeit 1: Eine eigene Reparatur-Infrastruktur aufbauen

Fairphone, das seine Geräte auf Reparatur hin konzipiert und Ersatzteile und Software zur Verfügung stellt, ist ein Vorreiter der Branche in Europa.

Unternehmen wie Fairphone und Framework haben schon beim Design ihrer Geräte auf deren Reparierbarkeit geachtet. Das ist die einfachste Möglichkeit, sich an Regeln zur Reparierbarkeit zu halten – jedenfalls, wenn man gerade ein neues Unternehmen zur Herstellung elektronischer Geräte aufbaut. Für bestehende große Unternehmen, die eine gewisse interne Trägheit aufweisen, kann es schwierig sein, eine Reparaturplattform aufzubauen. Denn das verlangt nicht nur ein Umdenken von Geheimhaltung und Kontrolle zu Transparenz und Unterstützung; auch Logistik und Daten kann man nicht mal so eben aus dem Handgelenk schütteln.

Möglichkeit 2: Lass jemand anderen deine Logistik für dich übernehmen

Apple hat die Möglichkeit gewählt, die Dienstleistungen eines Dritten für sein Self-Service-Reparaturprogramm in Anspruch zu nehmen, das die Website und das System völlig unabhängig aufgebaut hat. Es musste wohl ziemlich schnell gehen, und das merkt man. Gut, vielleicht sind wir etwas voreingenommen. Aber es ist schon ziemlich offensichtlich, dass die Apple-typische Eleganz ein wenig zu kurz gekommen ist, sodass sich manche Kund:innen fragen dürften, ob es sich hier wirklich um authentische Apple-Produkte handelt.  

Dank lokaler Reparaturmöglichkeiten, die von Unternehmen wie uBreakiFix bereitgestellt werden, konnte Samsung andererseits relativ problemlos Lösungen anbieten. Solche Angebote könnten ausgebaut werden, um die drei Grundbedürfnisse der Reparatur zu decken – Ersatzteile, Werkzeuge und Anleitungen. Aber da haben wir gute Nachrichten: Wir kennen so ein Unternehmen, das dich mit all dem versorgen kann 😉

Möglichkeit 3: Frag iFixit

Du hast wahrscheinlich gehört, dass wir mit Herstellern – u. a. Google, Samsung und Valve – zusammenarbeiten, um ihre Ersatzteile einzelnen DIY-Reparateur:innen verfügbar zu machen. Das Tolle an unserer Reparatur-Community ist, dass wir einfach schon immer repariert haben. iFixit entstand, weil es keine Reparaturanleitungen gab. Wir haben Werkzeuge entwickelt, um die Hindernisse überwinden zu können, mit denen die Hersteller uns vom Öffnen unserer Geräte abhalten wollten. Jeden Tag helfen wir Tüftler:innen (und Herstellern!), ihre Geräte zu reparieren. iFixit hat das Know-How und die Erfahrung, um alles zu regeln vom Ersatzteil-Verkauf bis zur Erstellung und dem Hosten von Reparaturanleitungen.

Die Zusammenarbeit mit iFixit ist nur eine von vielen Möglichkeiten für Hersteller, ihren Verpflichtungen im Rahmen von Gesetzen zum Recht auf Reparatur nachzukommen. Aber wenn du Unterstützung suchst, lass es uns gerne wissen.

Welche Unternehmen sind bereits auf das Recht auf Reparatur eingestellt?

Weltweit stellen sich Hersteller bereits auf den großen Paradigmenwechseln ein, den das Recht auf Reparatur bedeutet. Manche gehen eher zurückhaltend vor, andere haben ernsthafte Bemühungen unternommen, um für die reparaturfreundliche Zukunft vorbereitet zu sein. Es bewegt sich etwas, auch in riesigen Konzernen, und ganz egal, wie viel ein Unternehmen investiert, es geht immer noch eine Nummer größer. Schauen wir uns mal einige der branchenführenden Unternehmen an – und nehmen ihr Engagement unter die Lupe.

Wer (zu) spät kommt

Samsung stellt bereits seit Jahren Reparaturanleitungen zur Verfügung – aber zu einem Preis, und man musste schon auch wissen, wo. Es wäre schonmal ein Anfang, diese Anleitungen kostenlos und leicht auffindbar auf ihrer Website zu veröffentlichen, aber das wird bald schon nicht mehr genügen, um Gesetze zum Recht auf Reparatur umzusetzen. Samsung hat seitdem begonnen, sich um eine umfänglichere Lösung zu kümmern.

Falls jemand noch eine Plattform sucht, um solche PDF-Dateien zu veröffentlichen – wie wär’s mit dem weltweit größten, kostenlosen Online-Reparaturhandbuch? Während der Corona-Pandemie haben wir 13 000 englischsprachige PDF-Reparaturanleitungen für medizinische Geräte bei uns aufgenommen, um Techniker:innen auf der ganzen Welt dabei zu helfen, Beatmungsmaschinen am Laufen zu halten. Wenn wir von einem Tag auf den anderen eine komplett neue Geräteart und die dazugehörige neue Reparatur-Community aufnehmen können, könnte iFixit der richtige Ort auch für deine Anleitungen sein.

Es kann so einfach sein

Austauschbare Akkus und eine kostenlose, frei zugängliche Anleitung – gut gemacht, bObsweep!

Für Hersteller, die etwas Nutzungsfreundlicheres suchen als eine PDF-Datei, oder die schlicht und einfach noch keine Anleitungen haben, ist die iFixit-Plattform eine sehr gute Möglichkeit, ihre Reparaturinfos zu erstellen, zu hosten und weltweit zur Verfügung zu stellen. Wie wir oben geschrieben haben – erfolgreiche Reparaturen sind gut für die Kund:innenbindung. Timbuk2, ein Taschenhersteller aus San Francisco, hat uns um Rat gefragt und beschlossen, seine eigenen Anleitungen bei uns zu machen. Und sie sind gar nicht schlecht! Und Kanadas führender Hersteller von Haushaltsrobotern, bObsweep, tauchte eines Tages plötzlich mit einer ganzen Sammlung von Anleitungen auf unserer Website auf. Da waren auch wir baff! Aber unsere Plattform für Anleitungen ist eben super einfach zu bedienen. (Wir haben übrigens auch Anleitungen dazu, wie man Anleitungen erstellt!)

Das Komplettprogramm

Unternehmen wie Apple, die nicht von ungefähr so erfolgreich sind, haben Ersatzteile, Werkzeuge und Reparaturanleitungen bereits vor Inkrafttreten von Gesetzen zum Recht auf Reparatur verfügbar gemacht. Dadurch haben sie nicht nur mehr Zeit, um etwaige Fehler zu beheben, sondern sie tun auch etwas für die Umwelt. Und es ist, wie es ist: Nachhaltigkeit ist gut fürs Geschäft.

Und was ist mit Samsung, Google und Microsoft? Nun ja, bald werden wir hoffentlich gute Nachrichten haben. Schau immer mal wieder bei unseren Partnerschaften vorbei, um auf dem Laufenden zu sein!

Und das Sahnehäubchen!

Patagonia hat Umweltbewusstsein im Blut, da kommt es also nicht überraschend, dass das Unternehmen das allererste war, das mit iFixit zusammenarbeitete, um seine Kunden bei der Reparatur seiner Produkte zu unterstützen. Die Firma hat ein umfassendes Support-Programm für die Reparatur von Kleidungsstücken aufgebaut und bietet auch wiederaufbereitete Produkte an, die ausgesprochen beliebt sind. Dutzende Reparaturanleitungen, Nähtipps und Pflegeanleitungen wurden von Patagonia auf iFixit gestellt. Mit anderen Herstellern haben wir beispielsweise zusammengearbeitet, um Anleitungen für ihre Produkte zu erstellen und ihre Ersatzteile zu verkaufen, oder um Werkzeuge für sie zu entwickeln. Die Möglichkeiten sind so endlos wie das Engagement unserer Reparatur-Community, die immer eine Idee auf Lager hat.

Die eine Sache, die alle Geschäftsführer:innen über das Recht auf Reparatur wissen sollten

Reparatur tut nicht weh. Ob du es glaubst oder nicht, das Recht auf Reparatur wird allen nützen – lokalen Unternehmen, der Umwelt, und auch deinem Bankkonto. Das Recht auf Reparatur kommt, so viel steht fest. Ob ein Gesetz auf nationaler Ebene verabschiedet wird – wie die Einführung des französischen Reparatur-Index – oder das EU-Parlament umfassende Forderungen zu einem Recht auf Reparatur beschließt, die Zukunft gehört der Reparatur. Manchen Unternehmen wird die Umstellung nicht leicht fallen, für manche kann es schmerzhaft werden, das ist zu erwarten. Aber der Wind hat sich längst gedreht. Unter dem Druck ihrer Aktionär:innen setzen sich auch behäbige Kähne wie Microsoft und John Deere in Bewegung. Und Wähler:innen lassen sich von zweifelhaften Lobbyist:innen nicht mehr die Sinne vernebeln. Es ist Land in Sicht. 

Die Frage ist nur: Bist du vorne mit dabei? Oder lässt du dich von der Konkurrenz abhängen?

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.