Die Apple Watch Ultra: Schön, solide und beinahe reparierbar
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Die Apple Watch Ultra: Schön, solide und beinahe reparierbar

Dies würde der interessanteste Teardown des Jahres werden, dessen waren wir uns sicher, nachdem wir Apples Produktvorstellung gesehen hatten. Bei der Apple Watch Ultra handelt es sich schließlich um eine völlig neue Produktklasse – eine angenehme Abwechslung vom gewohnten jährlichen Upgrade der iPhone-Reihe, und dazu noch eine Outdoor-Uhr mit größerem Display und neuen Funktionen.

Nun ja, unsere Erwartungen wurden beinahe erfüllt. Während Apple vor allem mit dem lang erwarteten Action Button, einem (für eine Uhr) riesigen Display und Tauchfunktionen wirbt, lässt es die wirklich bedeutsame Entwicklung mal wieder unter den Tisch fallen: Wie schon beim radikal neuen Innendesign des iPhone 14 hat Apple auch bei der Watch Ultra einen tendenziell großen Schritt in Richtung Reparierbarkeit gemacht – ohne uns davon zu erzählen.

In der eineinhalbstündigen Produktpräsentation ist für einen Sekundenbruchteil etwas Erstaunliches zu sehen: Schimmert da eine Schraube am Gehäuse einer Apple Watch? Die Szene ist nur schwach beleuchtet, just in diesem Moment leuchten Blitze auf (unterschwellige Botschaften?) und bei der Schraube – denn es ist tatsächlich eine! – handelt es sich ausgerechnet um unsere Erzfeindin, die Pentalob-Schraube. Aber trotzdem – wir hätten nie gedacht, dass wir jemals eine Schraube am Äußeren eines Apple Wearables sehen würden.

Apple vermeidet sichtbare Schrauben üblicherweise wo immer nur möglich, um einen glatten, futuristischen Look zu erzeugen. Für alle, die selbst reparieren, sind Schrauben jedoch die besten Verbündeten: Sie sind leicht zu entfernen, leicht auszutauschen und lange haltbar, weshalb sie immer reparaturfreundlicher sein werden als Klebstoff.

In Apples Produktvorstellung sind Abenteurer:innen in Extremsituationen menschlichen Leistungsvermögens zu sehen. Mit ihren winzigen Teilen und komplizierten Kabelsystemen haben Apple Watches auch uns schon an die Grenzen unserer Teardown-Fähigkeiten gebracht. Also atmen wir noch einmal tief ein – und los geht’s. Ernest Shackleton – und die Vorstellung der Ultra – haben uns „Ehre und Anerkennung im Erfolgsfall“ versprochen. Wir nehmen die Herausforderung an.

Natürlich machen wir uns als Erstes an den Pentalob-Schrauben zu schaffen. In unseren Köpfen spukt noch das neue, leicht zu öffnende iPhone 14 herum. Verbergen sich etwa auch hinter diesen Schrauben ein Display und Sensoren, die sich separat herauslösen lassen? Oder vielleicht ein leicht austauschbarer Akku?

Die Rückversiegelung jedenfalls hat es schonmal in sich: Eine dünne, durchsichtige Dichtung trägt zur Wasserfestigkeit bei und ist nicht allzu stark verklebt. Aber durch den Öffnungsvorgang wird sie komplett zerstört. Wir sind zwar froh, dass der Kleber nicht so aggressiv ist; aber diese empfindliche Dichtung beim Zusammenbau zu ersetzen, dürfte nicht sonderlich lustig werden. Wiederverwendbare Dichtungen können bei einer Uhr zugegebenermaßen etwas klobig sein, aber es gibt sie.

Und dann kommt ein erstes schlechtes Zeichen: Mithilfe von Hitze und vorsichtigem Hebeln lösen wir die Rückabdeckung – und sofort geht uns eine der winzigen Federn verloren, mit denen das Armband entriegelt wird. Hoffen wir, dass du deine rückwärtige Sensoreinheit nicht mitten auf einem Klettersteig austauschen musst; diese Reparatur wird am besten zuhause durchgeführt. 

Jetzt stecken wir erst einmal in einer Sackgasse: Das Apple-Logo prangt auf der Rückseite eines System-in-Package – hier kommen wir nicht durch. Um an den Akku zu gelangen, müssen wir uns durch den jetzt flachen und ultra-engen Spalt zwischen Display und Gehäuse zwängen.

Es könnte schlimmer sein – aber eben auch besser. Es ist zwar gut, eine abnehmbare Rückabdeckung zu haben, denn Glas kann springen, und so kann das Sensor-Modul deutlich schneller und günstiger ausgetauscht werden, als das bei früheren Apple Watches der Fall war. Apple zufolge soll das reparaturfreundlichere Design des iPhone 14 vor allem den Techniker:innen in Apple-Stores zugutekommen, wenn sie Reparaturen vor Ort durchführen. Das klingt logisch, und wir hatten gehofft, dass auch die Watch Ultra diesem Trend folgen würde. Aber nach allem, was wir bisher sehen, ist es unwahrscheinlich, dass ein Akkutausch vor Ort ohne weitere Ausrüstung möglich sein wird. 

Das bedeutet, dass der Einbau eines neuen Akkus in der Werkstatt nicht am gleichen Tag erledigt werden kann – außer, man tauscht das Gerät gegen ein neues aus. Auf der autorisierten Reparatur-Website Best Buy heißt es, die meisten Reparaturen würden innerhalb von fünf Werktagen durchgeführt, je nach Art der Reparatur. Im Klartext: Das Gerät wird in eine größere Werkstatt verschickt, weil es nicht vor Ort repariert werden kann. Was für eine verpasste Chance – wenn Apple den Akku unterhalb des System-on-Chip hätte einbauen können, müsste man nur diese neuen Schrauben auf der Rückabdeckung lösen, um ihn auszutauschen, anstatt das extrem gut versiegelte Display aufhebeln zu müssen. 

Beim iPhone 14 haben wir gesehen, wie es gehen kann: Sowohl Display als auch Rückabdeckung lassen sich nach ein paar Drehungen mit einem Pentalob-Bit öffnen. Wie wär’s, Apple – wollt ihr nicht das Gehäuse der Ultra 2 nächstes Jahr oben und unten etwas anschrägen? Dadurch würde sich die Uhr besser um das Handgelenk legen und es wäre möglich, das Display mit Schrauben zu sichern.

Noch ein paar Worte zur Öffnung des Displays. Es war schon schwierig, in die normale Apple Watch hineinzukommen; die Ultra zu öffnen, ist ultra schwierig. Der Spalt ist eng, der Hebel-Winkel steil, und das Display möchte sich nur allzu gern vom Glas lösen. Und an dieser Herausforderung führt kein Weg vorbei, wenn du den Akku tauschen möchtest (der eben irgendwann den Geist aufgibt). Klar ist eine leicht zugängliche Rücksensoreneinheit auch prima; aber wenn wir die Wahl hätten, ein Bauteil leicht zugänglich zu machen, wäre es eindeutig der Akku. 

Wir versuchen, optimistisch zu bleiben. Immerhin scheint zumindest ein Teil des Apple-Teams inzwischen größeren Wert auf Reparierbarkeit zu legen, und die Ultra hat immerhin ein Merkmal, das uns wirklich begeistert: Das feste Akku-Gehäuse. Bisher war ein solches Metallgehäuse nur in kleineren Apple Watches verbaut; es sorgt nicht nur für einen besseren Schutz des empfindlichen Lithium-Ionen-Akkus, sondern macht auch den Einsatz von Klebstoff überflüssig.

Kein Klebstoff? Ganz recht! Lediglich vier Y000-Schrauben müssen gelöst werden. Nur schade, dass man das Risiko eingeht, das Display zu zerstören, um überhaupt bis hierher zu gelangen. Ach, und dieses kleine „Haar“ auf dem Akku? Tja, wir haben mehrfach versucht, es zu beseitigen – es stellte sich heraus, dass es sich dabei um einen feinen Spalt im Gehäuse handelt. Wir vermuten, dass er dem Gehäuse etwas Flexibilität verleihen soll, für den Fall, dass der Akku anschwillt und Druck entweichen muss. Wenn du mehr weißt, lass es uns wissen!

Diese winzigen Smartwatches sind wirklich technologische Meisterwerke, aber eigentlich sollte es doch möglich sein, das Innenleben einfach umzudrehen wie beim iPhone 14. Wie schön es wäre, die rückwärtige Sensoreneinheit einfach öffnen und ganz leicht an den Akku gelangen zu können! Ein Traum – bis jetzt jedenfalls… 

Zurück auf den Boden der Tatsachen: Bei der Apple Watch handelt es sich nicht um ein Gerät, das im Alltag wirklich unverzichtbar ist. Und weil sie „nur“ ein Accessoire ist, rechnet Apple damit, dass du ihre Abwesenheit ein paar Tage lang verschmerzen kannst, oder eine Ersatzuhr akzeptierst, während deine Ultra zur Reparatur eingeschickt wird. Dadurch steht Apple weniger unter Druck, die Reparatur der Watch Ultra möglichst schnell durchzuführen – und behält so gleichzeitig die Kontrolle über die Reparaturwerkzeuge.

Langsame Reparaturen bedeuten allerdings nicht, dass sie nicht profitabel wären. Tatsächlich ist Apples Gewinnspanne beim Austausch der Sensoren wahrscheinlich noch einmal deutlich gewachsen.

Bei der Watch Ultra kann man sich für genau zwei Reparatur-Kategorien einen Kostenvoranschlag von Apple holen: Für den Akku – und für „sonstige Schäden“. Den Akku auszutauschen, was gewohnt schwierig ist, kostet 129 €. Die Reparatur „sonstiger Schäden“, was vermutlich auch den Austausch der leicht zu entfernenden Sensoreinheit miteinschließt, wird mit unfassbaren 619 € beziffert. Auch wenn die Sensoren sehr teuer sein sollten – so viel wie ein Display dürften sie nicht kosten, und der Austausch selbst dürfte weit weniger Arbeitszeit in Anspruch nehmen.

Dabei müssen wir Apple zugestehen: Der Ausbau des Displays ist zwar nervenaufreibend, aber er ist weniger destruktiv als bei früheren Watches. Wir haben uns vorhin beschwert, dass die empfindlichen Dichtungen beim Öffnungsvorgang zerstört werden, aber vor der Apple Watch 6 war der Dichtungsrahmen auch für die Force Touch-Funktionalität zuständig. Der Dichtungsrahmen war nach jeder Reparatur (elektro-)schrottreif – weshalb wir in unseren Reparatur-Kits einen Ersatz gleich mitliefern. Der Force Touch-Sensor war zwar leichter wieder einzubauen als die Dichtung der Watch Ultra, deren Reparatur ist aber deutlich eleganter.

Wir entfernen die Dichtung einer Apple Watch Series 3

Apple hat es außerdem geschafft, die zahlreichen Antennen in das Display und den Uhrkörper selbst einzubauen – bei diesem Mini-Format eine besonders beachtliche Leistung. Dadurch gibt es weniger Kabel und mehr direkte Verbindungen zu den wichtigen Bauteilen, Akku und Display, sodass das Risiko verringert wird, bei der Reparatur andere Komponenten zu beschädigen. Diese integrative Bauweise hat das Display vermutlich teurer gemacht, aber weil es ohnehin das teuerste Bauteil der Uhr sein dürfte, fällt das nicht sonderlich ins Gewicht. So, und das war’s an immer kleiner werdenden Komponenten…

Denn die Taptic Engine der Ultra ist überraschend massiv. Beinahe 16 % des Gesamtgewichts der Smartwatch, ganze 9,8 Gramm, nimmt der kleine Vibrationsmotor in Anspruch, der dich auch auf Alpengipfeln noch über eingehende E-Mails benachrichtigt. Damit ist er um 50 % schwerer als die 6,4-Gramm-Engine in einer Apple Watch der Series 8. Beinahe der ganze Innenraum der Ultra wird von Akku und Taptic Engine eingenommen; kein Wunder, dass die „Sirene“ sich eher anhört wie ein Wecker

Und auch wenn die dualen Lautsprecher ihr Bestes geben – sie fungieren schließlich auch als Pumpe, um eingedrungenes Wasser wieder auszustoßen – kommt man nur schwer an sie heran, wenn man sie austauschen möchte. Kein Wunder, dass solche Reparaturen 619 € kosten und die Uhr dafür eingeschickt werden muss. Die Lautsprecher selbst sind dabei seit der Series 8 um einiges gewachsen – sie sind 70 % schwerer und wiegen damit fast so viel wie bei der Series 7 letztes Jahr. Vielleicht betont Apple die 86 Dezibel deshalb immer wieder?

Es sieht so aus, als wäre der duale Lautsprecher in zwei geteilt, ein Ende für die Sirene, das andere als eigentlicher Lautsprecher. Auch auf anatomischen Diagrammen der Ultra sieht es nicht so aus, als gäbe es hier zwei verschiedene Komponenten. Sondern einfach einen einzigen, langen Lautsprecher. 

Die Ultra (links) beherbergt einen deutlich größeren Akku als die Apple Watch 7 (rechts).

Auch die restlichen Bauteile sind beeindruckend: Ein präzisionsgefertigtes Gehäuse (höchstwahrscheinlich im Gussverfahren hergestellt, aber auf jeden Fall noch zumindest teilweise maschinell bearbeitet), ein gut abgedichteter Tauchsensor (nehmen wir mal an), und massenhaft Antennen (schau dir mal die Aussparungen im Gehäuse an). Vor allem das Gehäuse hat es uns angetan – zu gerne würden wir uns den hochkomplexen Herstellungsprozess anschauen.

Trotz allem aber hätten wir uns ein wenig mehr Umsicht gewünscht – vor allem, was einen wahrhaft austauschbaren Akku angeht. Da außerdem schon mehrere robuste Tauchcomputer und ausgeklügelte Fitness-Smartwatches auf dem Markt sind, könnte es die Ultra schwer haben, sich bei Nutzer:innen zu etablieren. Eine gute Möglichkeit, sich von den anderen abzusetzen, wäre eine bessere Reparierbarkeit bei zukünftigen Ultras – sofern sie nicht wie die Apple Watch Edition einfach wieder verschwindet. Die Zeit – idealerweise gemessen von Uhren, deren Akku man austauschen kann, ohne ihr schickes OLED-Display dabei zu zerstören – wird es zeigen.

Apple Watch Ultra Titanium Frame

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.