iOS 18 wurde am 16. September veröffentlicht, mit einer brandneuen Funktion, die wir schon mit Spannung erwartet hatten: dem „Reparatur-Assistenten“. Apple löst endlich sein Versprechen ein, seine Reparatursoftware auf Einzelgeräten verfügbar zu machen (man braucht allerdings Wi-Fi dafür), und zwar ab dem iPhone 15, iPad Pro M4 und iPad Air M2.
Unsere ersten Testergebnisse sind nun da – und was Apple da versucht, ist wirklich ehrenwert. Aber momentan ist es leider noch ziemlich fehlerhaft.
Alles unter Apples Kontrolle
2022 hat Apple damit begonnen, Ersatzteile für seine Geräte zu verkaufen und seitdem fordern wir, dass Apple seine Software auf einzelnen Geräten direkt zur Verfügung stellt, um DIY-Reparaturen zu erleichtern. Wer in den letzten zwei Jahren ein Ersatzteil über Apples Self-Service-Reparatur gekauft hat, konnte die Reparatur nur über einen Chat oder Anruf beim Apple Support Team abschließen. Die Person am anderen Ende der Leitung aktivierte dann die nötige Reparatur-Software, um das Ersatzteil mit der Apple-ID zu koppeln. Dazu erforderlich: Die IMEI, die Rechnungsnummer – und deine Zustimmung zu Bedingungen, die ziemlich tief in die Persönlichkeitssphäre eingreifen.
Wenn man das nicht tat (oder wenn man ein Ersatzteil einbauen wollte, das man nicht bei Apple selbst gekauft hatte), wurde man mit einer ganzen Reihe an Problemen konfrontiert. Hatte man beispielsweise bei einer Reparatur des iPhone 15 keine Verbindung zum Chat-Assistenten, wurde bei 6 verschiedenen Ersatzteilen die Funktionalität eingeschränkt. Wir haben lautstark gegen die Probleme protestiert, die durch Teilekopplung verursacht werden – und dieses Jahr haben zwei US-Bundesstaaten (Oregon und Colorado) Gesetze zum Recht auf Reparatur erlassen, die die Anwendung von Teilekopplung in den nächsten Jahren deutlich einschränken werden.
Als Apple im April ankündigte, dass es bis Ende des Jahres Änderungen an seinem System der Teilekopplung durchführen würde, fanden wir, dass die Änderungen nicht weit genug gingen.
Wir waren froh, als wir hörten, dass Apple vorhatte, die Kalibrierung von Ersatzteilen auch auf (nicht bei Apple gekaufte) Original-Apple-Teile auszuweiten. Apples Idee, seine Reparatur-Software den Nutzer:innen zur Verfügung zu stellen, sprach uns aus der Seele – und wir hofften, dass die Software sich auf den einzelnen Geräten befinden würde.
Und wir freuten uns noch viel mehr, als Apple in einer weiteren Bekanntmachung im Juni klarstellte, dass ab iOS 18 True Tone und der Batteriezustand auch nach Einbau von Drittanbieter-Teilen noch funktionieren würden.
Trotzdem waren wir misstrauisch und hatten den Verdacht, dass man mit dem Reparatur-Assistenten keine Reparaturen mit Drittanbieter-Teilen abschließen können würde. Wir überlegten, ob auch andere Geräte, die von der Teilekopplung betroffen sind, vom Reparatur-Assistenten profitieren würden (Antwort: iPads – ja, MacBooks – nein). Und die Nachricht, dass Apple vorhatte, die Aktivierungssperre auf einzelne Ersatzteile auszuweiten, füllte uns mit Sorge. Die Aktivierungssperre hat problematische Nebenwirkungen für die Recycling-Industrie.
Die Aktivierungssperre ist der Feind aller Wiederaufbereiter

Die Aktivierungssperre – und all die ähnlichen Systeme auf anderen Handys, wie Samsungs Reaktivierungs-Sperre oder die Factory Reset Protection (FRP) bei Google, Motorola und LG – bleibt das größte Hindernis, wenn man Gebrauchtgeräte wiederverwenden will. Wenn sie so funktioniert, wie sie soll, kann sie ein Gerät uninteressanter für potentielle Diebe machen. Aber in vielen, zu vielen Fällen ist sie dafür verantwortlich, dass funktionierende Geräte im Schredder landen – eine gigantische Verschwendung von Material und Energie, und Verursacher unnötiger CO2-Emissionen.
Das Problem liegt darin, dass viele Leute nicht daran denken, eine Software-Sperre zu deaktivieren, wenn sie ihr Gerät verkaufen oder spenden. Firmen, die gebrauchte Elektronik wiederaufbereiten oder recyclen, werden Berge an Handys und Laptops zugeschickt, die nicht weiterverwendet werden können, obwohl sie in einem guten Zustand sind – weil die Vorbesitzer:innen vergessen haben, die Diebstahlsicherung zu deaktivieren. Eine Ausweitung der Aktivierungssperre auf individuelle Bauteile würde das Problem dramatisch verschärfen.
MacBook-Wiederaufbereiter John Bumstead über die Folgen der Ausweitung der Aktivierungssperre:
“Man kann dann ein Gerät, bei dem die Aktivierungssperre aktiviert ist, nicht als Ersatzteillager verwenden, weil jedes einzelne Bauteil darin zum Tode verurteilt ist. Die Aktivierungssperre und die Teilekopplung arbeiten nun zusammen für das Schlechte. Und Apple stellt das Ganze als etwas Gutes dar, weil es die Kopplung einiger Bauteile ermöglicht, die nicht gesperrt sind – und davon gibt es übrigens nicht viele.“
Wie Paul Roberts von Fight to Repair es ausdrückt: „Die realen Auswirkungen dieser Sache könnten fatal für kleine, unabhängige Reparaturwerkstätten sein.“
Also, es gibt durchaus Bedenken. Aber wie funktioniert es in der Praxis? Und wie schlägt sich das Betriebssystem?
Finden wir’s heraus!
Zwei iFixit-Mitarbeiter stellten das System auf den Prüfstand – Teardown-Techniker Shahram Mokhtari und Reparierbarkeits-Ingenieur Carsten Frauenheim. Jeder nahm sich zwei iPhone 15 Exemplare (Shahram zwei Pros, Carsten zwei Standard-Modelle) und tauschten deren Logic Boards aus, um den Austausch jedes einzelnen Bauteils zu simulieren. Das ist unsere Methode, um bei neuen iPhones herauszufinden, welche Bauteile in welchem Ausmaß von der Teilekopplung betroffen sind.
Shahram: Boot-Schleifen ohne Ende – und kein Face ID mehr

Auf Shahrams iPhone 15 Pros war zunächst noch iOS 17.1 installiert. Er setzte das Logic Board des einen in das andere iPhone ein. Das Handy startete normal – mit allen Problemen, die die Teilekopplung so mit sich bringt: Warnungen vor unbekannten Bauteilen, Meldungen für den Akku und das Display, und so weiter. Der Batteriezustand – verschwunden. True Tone – weg.
Dann führte er ein Update auf iOS 18 durch. Alle „ausgetauschten“ Bauteile wurden nun unter “Serviceverlauf“ angezeigt und jetzt war eine Option verfügbar, das Handy im Diagnosemodus zu starten, um die Reparatur abzuschließen.

Und dann ging es plötzlich schief. Das Handy ließ sich zweimal wegen eines „Netzwerkfehlers“ nicht anschalten. Als es schließlich startete, erkannte es alle „ausgetauschten“ Bauteile und meldete, dass einige kalibriert werden müssten. Face ID zeigte (wie erwartet) eine Fehlermeldung. Shahram wollte nun die Kamera kalibrieren, aber anstatt mit der Kalibrierung zu beginnen, startete das Handy neu.
Er versuchte es wieder und wieder und endete immer in derselben Boot-Schleife – jeder Versuch, die Kalibrierung zu starten, endete mit einem Neustart des Handys. Wenn er „Reparatur abschließen“ im Diagnosemodus auswählte, wurde einfach wieder das Fenster „Diagnose oder Reparatur“ angezeigt, egal, wie oft er es versuchte. Die einzige Möglichkeit, um das Handy neu zu starten, war, den Diagnosemodus ganz zu verlassen.

Als er die Kamera mit derjenigen ersetzte, die mit dem „neuen“ Logic Board des iPhones gekoppelt war, verschwand die Face ID-Meldung. Allerdings funktionierte jetzt die Frontkamera nicht mehr und Face ID funktionierte überhaupt nicht mehr. Shahram wurde ein Link zu einer Website angezeigt, wo er dazu aufgefordert wurde, das Handy reparieren zu lassen.
Und die ganzen anderen Warnmeldungen schickten ihn weiterhin in endlose Boot-Schleifen.
Shahram hatte Glück: Er hatte die ultimative Lösung buchstäblich auf Lager – das ursprüngliche Logic Board. Nachdem er es wieder eingebaut hatte, war es vorbei mit den Boot-Schleifen. Er öffnete den Serviceverlauf – alle Einträge verschwanden. Die „Reparatur abschließen“-Option war weg. Übrig blieb ein Handy, dem nicht anzusehen war, dass gerade sein Rechenzentrum entfernt und wieder eingebaut worden war.
Die meisten Leute, die ihr iPhone reparieren, haben allerdings nicht die Möglichkeit, ihr Gerät einfach so wieder in seinen Originalzustand zu versetzen.
“Das hier nenne ich das William Wallace Update“, sagte Shahram, in Anspielung auf den schottischen Freiheitskämpfer, der durch den Film „Braveheart“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Wallace blieb auch dann noch seinen Idealen treu, als er brutal exekutiert wurde. „Damit werden wir zwar von der Teilekopplung befreit – aber zu einem furchtbaren Preis.“
Carsten: “Mehr Gutes als Schlechtes“
War das, was Shahram beobachtet hat, vielleicht ein Einzelfall? Um das zu testen, versuchte Carsten es noch einmal, unter veränderten Rahmenbedingungen: Statt Pro-Modellen testete er zwei Standard-iPhone 15 Exemplare. Außerdem tauschte er ihre Logic Boards aus, noch bevor er das Update auf iOS 18 durchführte.

Zuerst lief alles ganz genauso ab wie bei Shahram: Alle Bauteile tauchten im Serviceverlauf auf und er wurde aufgefordert, die Reparaturen abzuschließen. Als er versuchte, das Handy im Diagnosemodus zu starten, wurden ihm wiederholt Netzwerkfehler angezeigt.
Beim dritten Mal startete das iPhone neu, aber während der Kalibrierung tat sich nichts – danach startete es wieder im normalen iOS, als wäre nichts passiert. Beim vierten Mal startete das iPhone neu und man sah nur einen weißen Ladebildschirm, der nicht verschwand.
Dann verließ Carsten den Diagnosemodus und versuchte es mit einem anderen WLAN-Netzwerk: Im iFixit-Büro gibt es ein Netzwerk, das über ein Login-Portal startet und ein zweites, welches das nicht tut. Carsten vermutete, dass der Diagnosemodus nicht mit dem Login-Portal klarkam (das würde den weißen Ladebildschirm erklären), also versuchte er, sich mit dem anderen Netzwerk zu verbinden.
Dieses Mal funktionierte die Einrichtung wie erwartet: Das Rückglas und die Rückkamera wurden mit einem grünen Häkchen angezeigt. Face ID war mit einem gelben Warnsymbol versehen und Display und Akku waren durch die Aktivierungssperre mit einem Apple-Konto verbunden (merkwürdigerweise gehörten die beiden Handys zu derselben Apple ID). Als Carsten sich einloggte, um die Reparatur zu bestätigen, verschwand die Warnung der Aktivierungssperre und Display und Akku wurden entsperrt.
Obwohl angezeigt wurde, dass Face ID kalibriert werden musste, konnte das nicht über „Reparatur abschließen“ durchgeführt werden – es kamen nur Fehlermeldungen wie „Dieses Bauteil funktioniert nicht wie erwartet“. Als Carsten das Handy wieder in iOS 18 startete und es normal benutzte, funktionierte außerdem die Frontkamera nicht mehr – in der Kamera-App wurde nur ein leeres Bild angezeigt.
“Es sieht so aus, als wäre es so eingestellt, dass es irgendwann funktionieren sollte“, erklärt Carsten, „aber Apple hat einfach noch nicht den Knopf dafür gedrückt, dass nach dem Austausch der Kamera Face ID wieder funktioniert, was Apple irgendwann dieses Jahr mal angedeutet hatte.“
Wie Shahram baute auch Carsten das ursprüngliche Logic Board des Handys wieder ein und erhielt dasselbe Ergebnis: Kein Serviceverlauf mehr, keine Probleme mit der Kamera. Er probierte, nur die Selfie-Frontkamera auszutauschen, um zu sehen, ob sich irgendetwas anders verhalten würde. Aber wie beim vollständigen Austausch des Logic Boards war es auch jetzt nicht möglich, Face ID zu kalibrieren. Und auch die Frontkamera funktionierte nicht.
Carstens Fazit: “Der Reparatur-Assistent funktioniert gut, und das Ergebnis ist echt cool. Aber er ist unheimlich fehlerhaft in dieser ersten Version; Apple scheint Reparatur immer noch nicht wirklich wichtig zu finden. Ich hoffe, dass zukünftig auch Face ID nach Reparaturen funktioniert und die gröbsten Fehler in der Software behoben werden.“

Fazit: Reparatur-Software auf einzelnen Geräten – Super! Aber hier sind noch zu viele Fehler drin

Um das klarzustellen: Wir freuen uns außerordentlich, dass Apple eine Version seiner Teilekopplungs- und Kalibrierungs-Software für Nutzer:innen veröffentlicht hat. Es hat lange gedauert, bis das endlich passiert ist, und insgesamt ist es eine wirklich gute Sache für die Welt der Reparatur. Unabhängige Reparaturwerkstätten können nun Original-Apple-Teile aus ausgemusterten Geräte wiederverwenden (sofern sie nicht von der Aktivierungssperre betroffen sind, und das sind leider viele, sagen Wiederaufbereiter). Auf einzelnen iPhones kann eingesehen werden, welche Reparaturen an einem Gerät bereits durchgeführt wurden, was den Wiederverkaufswert des Geräts steigern kann.
Außerdem ist es schön, dass jetzt klarer mit den Nutzer:innen kommuniziert wird. Statt vager und sehr nerviger Warnungen vor „nicht identifizierten Teilen“, die viele von DIY-Reparaturen abschreckten, ist die Information zu den Teilen in den Einstellungen verborgen und „nicht aufdringlich“, wie Carsten anmerkt. Das neue System zeigt den Reparatur-Verlauf des Geräts so an, dass er „eher informativ ist und nicht so abschreckend.“
Aber die aktuelle Version dieses Tools ist einfach zu fehlerhaft. Wenn du demnächst eine Reparatur planst, solltest du dieses Software-Update erst einmal verschieben. Aber auch wenn gerade keine Reparatur ansteht, kann es sinnvoll sein, noch etwas abzuwarten – Apple hat gerade iPadOS 18 zurückgezogen, nachdem es einige iPads in Briefbeschwerer verwandelt hatte. Und auch in der Apple Nachrichten-App sorgt ein Software-Fehler für wiederholte Abstürze.
Apples Absichten in allen Ehren, aber diese Software hätte noch eine Weile am Baum bleiben sollen. Warten wir, bis sie ausgereift ist – dann melden wir uns wieder.
Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.
Ein Kommentar
Ist das mit dem Batteriezustand nur bei neueren iPhones möglich? Ich habe vor kurzem mein iPhone 13 mini mit eurem iFixit Akku restauriert. iOS 18 war schon drauf. Mir wird nur der Hinweis angezeigt, dass der Batteriezustand mir nicht angezeigt werden kann.
Felix - Antwort